Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
gehörst noch immer hierher. Du bist hier zuhause. Du bist hier willkommen.“
„Bin ich das?“, fragte ich und erschrak selbst darüber, wie rau meine Stimme klang.
„Ja, das bist du. Und du bist auch noch immer seine Tochter. Er vermisst dich.“
Sie wusste es also. Wie es vermutlich alle gewusst hatten. Alle außer mir. Aber was spielte das jetzt noch für eine Rolle? Eine Rolle spielte allerdings, dass Jenny sagte, Franklin würde mich vermissen. Ich stöhnte leise. Genau das hatte ich nicht hören wollen. Es wäre so einfach gewesen, sich zu sagen, dass hier kein Platz mehr war für den Vampir, der zurückkam. Einfach gehen und es erst gar nicht versuchen. Aber jetzt erklärte Jenny, dass ich vermisst und erwartet wurde. Was sollte ich tun?
„Wer ist da draußen?“, erklang Franklins dunkle, warme Stimme.
Sein Timbre ließ mich angenehm erschauern. Ich kroch tiefer in die Schatten hinein, damit er mich nicht sah. Aber Jenny trat selbstbewusst hervor und antwortete ihm.
„Ich bin es nur Franklin. Ich brauchte etwas frische Luft.“
„Jenny!“ Sein Tonfall war ein wenig tadelnd. So, wie er mit mir manchmal gesprochen hatte. Tadelnd, aber nachsichtig. „Es ist spät, Jenny. Du solltest schlafen gehen.“
„Ja, Franklin“, sagte sie und drückte sich an ihm vorbei.
Dabei warf sie mir heimlich einen Seitenblick zu, der soviel sagen sollte wie ‚nur Mut’. Einen Moment schaute Franklin noch in den Garten hinaus, dann drehte auch er sich um und ging hinein. Ich nutzte die Gelegenheit, an ihm vorbei zu huschen ehe er es bemerkt hätte.
Da nur die Lampe auf seinem Schreibtisch brannte, erfüllte mehr Schatten sein Zimmer als Licht. Ich wartete in einer der dunklen Ecken bis er die Tür geschlossen, den Vorhang vorgezogen und sich wieder in seinen weichen, braunen Ledersessel gesetzt hatte. Unruhig blickte er zum Fenster. Spürte die Anwesenheit von etwas Vertrautem und doch Fremdartigem. Etwas, das er kannte, das ihm aber gleichsam auch neu war. Er spürte meine Anwesenheit.
„Guten Abend, Vater“, sagte ich und trat einen Schritt vor.
Er zuckte zusammen, wollte aufspringen, sank aber mit einem gequälten Laut wieder zurück, als er mich sah.
Er erkannte es sofort. Hatte es schon nach meinem Brief geahnt. Dem Brief aus Miami, kurz bevor ich in die Maschine nach Paris gestiegen war, um Armand wiederzufinden. Und mein Schicksal.
Jetzt sah er es. Im fluoreszierenden Leuchten meiner Augen, dem hungrigem Flackern darin. An den spitzen, gläsern wirkenden Fingernägeln und vor allem an der Blässe meiner Haut. So weiß, fast durchscheinend, dass man die bläulichen Adern darunter erahnen konnte. Für eine Sekunde stockte ihm der Atem.
Ich wartete, was er wohl sagen mochte. Was er empfand. Der erste Schock ging schnell vorüber. Es gab keine Vorwürfe, keine Fragen nach dem Warum.
„Also sollte es wohl so sein. Kommst du nach Hause oder kommst du nur, um Abschied zu nehmen?“
„Ich weiß nicht, ob ich hier noch willkommen bin.“
Er grollte mir nicht. Er hatte es immer kommen sehen. Hatte versucht, es zu verhindern und war gescheitert. Die Tatsache selbst traf ihn gar nicht mal so sehr. Allein mein Anblick, zum ersten Mal als Vampir, war es, der ihn ein bisschen ins Wanken brachte. Er zitterte leicht, mochte es kaum glauben, doch dann fasste er sich wieder.
„Du weißt es also nun?“
Ich nickte. „Warum hast du es mir nicht gesagt?“ Meine Stimme klang kläglich und schwach. Schmerz und Tränen schwangen darin mit. Die letzten Spuren der Enttäuschung über seine Lügen.
„Was hätte ich dir sagen sollen?“, kam es wie ein schmerzvolles Stöhnen über seine Lippen. „Dass ich dein Vater bin? Oder dass ich den Vater deiner Mutter aus purer Machtgier habe töten lassen? Ich konnte dir nichts sagen.“ Als ich nicht antwortete, sondern nur weiter fragend in sein Gesicht blickte, fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen. Er wusste, er war mir die Erklärung schuldig, warum er geschwiegen hatte. „Ich durfte einfach nicht. Armand hat mich vor die Wahl gestellt. Entweder mein Schweigen oder die ganze Wahrheit. Er hat mich damit erpresst. Wenn ich dir sagen würde, dass ich dein Vater bin, um dich an die Ashera und an die Sterblichen zu binden, dann wollte er dir auch alles andere erzählen. Er hätte es darauf ankommen lassen, wem du mehr gezürnt hättest. Aber ich hatte diesen Mut nicht. Ich hatte nur Angst, dich erneut zu verlieren, wenn du erfährst, dass ich Carl töten ließ,
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