Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
deutlich, dass es für die Urheber dieser Tat besser war, wenn sie nie seinen Weg kreuzten. Doch so wie er ihn kannte, war er bereits auf der Suche nach ihnen und würde sie nicht ungestraft lassen. Es gab kaum etwas, das der androgyne Lord mehr hasste, als Gewalt und Folter an unschuldigen Seelen. Lucien hätte das Mädchen schlichtweg erlöst, sein Freund hingegen nahm solche Kinder auf, pflegte sie gesund, gab ihnen ein Heim und holte sie irgendwann in die Nacht. Das hatte er in all den Jahrtausenden getan, die sie nun schon als Bluttrinker über diese Erde wandelten. Manchmal glaubte Lucien, dass er damit die Schuld begleichen wollte, die er mit dem Töten auf sich lud, aber er hatte nie weiter danach gefragt. Ein todbringender Samariter, irgendwie schon grotesk. Und in den Augen der Sterblichen war er vermutlich nicht weniger moralisch verwerflich und ein Verbrecher, als die Kerle, die das Video mit dem Kind gedreht hatten. Er und sein kleiner Harem aus Prinzen und Prinzessinnen, die alle irgendwann als Heranwachsende zu androgynen Vampirelfen wurden. Keine Kinder mehr, aber auch noch nicht ganz erwachsen. Zeitlos und geschlechtslos in ihrem Äußeren. Unwiderstehlich für jeden Sterblichen beider Geschlechter. Sie waren nicht stark genug für die Ewigkeit, das wusste Saphyro sehr wohl, aber geschaffen für ein immerhin recht langes Leben voller Luxus und Sinnlichkeit.
„Du trägst ein neues Schmuckstück, Sian?“, stellte Saphyro nun fest und beugte sich neugierig vor, um das Medaillon um Luciens Hals näher zu betrachten. Dabei fiel sein schwarzes Haar in einer seidigen Flut über seine Schulter. „Du trugst es noch nicht bei unserer letzten Begegnung.“
Er wusste worauf der jugendliche Vampir anspielte und öffnete wortlos, aber mit einem Lächeln auf den Lippen, den Deckel.
„Ah, ich erkenne ihn wieder. Den hübschen Callboy aus dem Casino. Nun, dann ist er wohl dein neuer Gefährte? Du willst ihn für die Ewigkeit?“
„Im Augenblick ist er nur mein Bettgespiele. Aber wer weiß?“
„Gehört er dir?“, drang Saphyro weiter in ihn.
„
Hoa yantame ilia
. Er gehört zu mir, weil er mein Blut trinkt. Immer hoffend, dass ich ihm Unsterblichkeit schenke. Und bangend, dass ich ihn doch eines Tages töten könnte. Aber er ist mir ergeben.“
„Und er gab dir ein Amulett mit seinem Bild zur Bestätigung.“
„Mit seinem Bild und einem Tropfen seines Blutes. Als Zeichen, dass er mir immer gehören wird.“
„Schon seltsam“, sagte Saphyro und neigte lächelnd den Kopf. „Ich dachte, die
djamil thalabi
– die schöne Füchsin – wäre jetzt dein Ziehkind.“
„Jeder erfüllt seinen Zweck, Saphyro. Jeder auf seine Art.“ Er streichelte seinem alten Freund über die glatte, bartlose Wange und gab ihm einen innigen Kuss. „Mir sind männliche Gefährten lieber wie du weißt. Melissa Ravenwood ist aus anderen Gründen von mir erwählt. Sie ist mehr wert als ein Gefährte. Sehr viel mehr.“
*
Nachdem ich mit jedem erdenklichen Verfahren versucht hatte, die Bestandteile von Pettras Blut aufzusplitten, war es letztlich eine derart simple Sache gewesen, dass es mich zum Lachen gebracht hatte, als wir sie durch Zufall entdeckten. Schlichte Kochsalzlösung. Wir hatten einige Objektträger damit abgewaschen, um sie noch mal zu verwenden und dabei die erstaunliche Entdeckung gemacht, dass die Blutkörperchen eines Vascazyre die Eigenschaft hatten, als blaue Fäden zu Boden zu sinken, wenn sie mit Salzwasser in Verbindung kamen. Nachdem wir das wussten, war es schon fast grotesk einfach, die Splittung vorzunehmen. Wir gossen Pettras Blut in Wasser, mischten handelsübliches Kochsalz darunter, schütteten die gelösten Blutkörperchen mit dem Wasser ab und fischten dann mit einem kleinen Kescher die hauchfeinen blauen Fäden, die man nun tatsächlich sogar mit bloßem Augen sehen konnte, vom Grund.
Anschließend mischte ich sie mit einer Nährlösung und gab sie zusammen mit meinem Blut in Reagenzgläser. Die Reaktion setzte sofort und zuverlässig ein. Alle Proben waren immun gegen UV-B-Licht. Nur meine Hand erlitt eine heftige Brandwunde, als ich sie aus purer Leichtsinnigkeit in den Lichtradius hielt. Armand riss mich zwar augenblicklich zurück, aber ich machte dennoch die schmerzhafte Erfahrung, dass reines, gefiltertes UV-B-Licht sehr viel mehr weh tat, als das natürliche letzte Licht einer untergehenden Sonne. Die hässliche, prall gefüllte Blase, die meinen kompletten Handrücken
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