Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
Weil er mir nachsah, dass ich nicht aus meiner Haut konnte.
Der Raum, in den er mich führte, war durchzogen von Schwaden wohlriechender Öle und Räucherware. Der Boden mit Fellen und edlen Tüchern bedeckt, an mehreren Ecken stapelten sich Kissen, die zum Verweilen einluden. Malereien zierten die Wände, auf den Tischen standen Speise und Getränke und überall saßen Kinder und Halbwüchsige, in kostbare Gewänder gekleidet und herausgeputzt wie Prinzen und Prinzessinnen. Ich sog ihren Duft auf, alle noch sterblich. Darum auch das reichhaltige Essen, sie litten keine Not.
Auf ein Klatschen ihres Gönners erhoben sich alle eilig und verließen den Raum. Dafür trat Ramael herein, Saphyros Favorit.
Die beiden wirkten wie Brüder mit ihrer glatten Broncehaut, seidigschwarzen Haaren, die über ihre Schultern fielen und dunklen Onyxaugen. Feingliedrig die Körper und androgyn die Gesichter.
Ramael strich im Vorbeigehen wie zufällig über Saphyros Hüften und ich sah das Lächeln auf dem Gesicht des Älteren. Dann nahm sein Gefährte auf einem der Kissen Platz und betrachtete mich aufmerksam.
Schon bei unserer ersten Begegnung waren mir seine Blicke aufgefallen, die ich bei jedem anderen als anzüglich empfunden hätte. Doch bei Ramael lag noch etwas anderes in der Art, mit der er mich erforschte. Der Name „Schicksalskriegerin“ lag wie ein Omen schwer in der Luft, auch wenn ihn niemand aussprach.
„Eine weite Reise hast du auf dich genommen, Melissa. Und es ist wohl kein schlichter Freundschaftsbesuch wie ich denke“, brach Saphyro das Schweigen.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch kein Wort gesprochen, das fiel mir erst jetzt auf.
„Nein.“ Ich schüttelte den Kopf. „Es gibt einen wichtigen Grund.“
Er nickte und deutete auf die Kissen links und rechts von Ramael. Es bedurfte keiner Worte, dass der Junge die Wasserpfeife zubereitete und gleich darauf stieg der betäubende Duft von Opium und Moschus auf.
Ich hatte in meinem ganzen Leben noch keine Shisha geraucht, doch nachdem ich mir keine Sorgen um den Rauschzustand machen musste, fand ich es unnötig und unhöflich, das Angebot abzulehnen.
„Dann erzähle uns, warum du hier bist, Melissa. Wie kann ich dir helfen?“
Ich nahm einen tiefen Zug aus der Pfeife und fühlte eine merkwürdige Leichtigkeit im Kopf. Was hatte Ramael noch hineingetan, das es auch bei einem Vampir Wirkung zeigte?
„Jenny, ein Mitglied unseres Mutterhauses, wurde von einem Inkubus verführt.“
„Ich erinnere mich an das Mädchen. Ein blonder Engel mit der Kraft des Feuers. Ein Inkubus? Dann ist sie schwanger?“
Ich bejahte und erzählte Saphyro alles, was wir darüber wussten und schließlich, wie Steven und Lucien von dem unschuldigen Vampir sprachen. „Ich habe geglaubt … gehofft … dieser Vampir ist hier.“
Er lachte leise. „Ein unschuldiger Vampir in meiner Obhut?“ Sein wunderschönes Gesicht blieb sanft und zeigte keinerlei Spott, dennoch lag ein gewisser Tadel auf seinen Zügen. „Du verachtest mich für das, was ich tue. Und nun klammerst du dich an die Hoffnung, dass ich es doch nicht tue?“ Sein Ausdruck nahm eine Mischung aus Unglaube und Belustigung an. „Wer von mir verwandelt wird, kennt die Lust. Sonst verwandle ich nicht. Kein Vampirkind unter meinem Schutz ist unschuldig. Ich fürchte, du hast diese lange Reise vergeblich auf dich genommen.“
Wie einen Hund hatte sie ihn davon gejagt, wollte ihn nie wieder sehen. Dracon wünschte, wütend auf Mel sein zu können, doch es gelang ihm nicht. Sie hatte recht. Wie immer war sein Handeln selbstsüchtig gewesen, von Gier geprägt. An Warren hatte er genausowenig gedacht wie an die Folgen.
Es zerriss ihn fast, Melissa schon wieder enttäuscht zu haben. Dabei war es die Sehnsucht nach Nähe zu ihr, die ihn dazu getrieben hatte. Mit Warren ein Bindeglied zu haben. Die Parallele zu einer kleinen Familie war nicht nur dahingesagt gewesen.
War er dazu verdammt, immer alles falsch zu machen und sich weiter ins Abseits zu drängen, obwohl er sich doch längst danach sehnte, wieder zu jemandem zu gehören?
Sein Herz zog sich zusammen, wenn er an Lucien – seinen Dunklen Vater – dachte, der ihn hasste und am liebsten tot sehen wollte.
Oder an Melissa, für die er so gern ein Geliebter wäre oder wenigstens eine Art Dunkler Bruder.
Es bedurfte nicht erst dem Bindeglied mit den Ketten, das Kaliste erschaffen hatte. Den Grund dafür verstand Dracon bis heute nicht, doch die Ränkespiele
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