Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
bleiben. Und der Lord konnte Melissa vor den beiden Verschwörern retten.
Er wartete bis Kaliste und Sylion ihren geheimen Treffpunkt wieder verließen, dann rutschte er aus seinem Versteck, untersuchte die verbrannten Stellen an seiner Jeans, die jetzt einen Teil seiner Beine und seines nackten Hintern preisgaben.
„Wir müssen dich jetzt schleunigst hier wegschaffen, Samara. Ich habe nämlich was Wichtiges zu erledigen, aber hier lassen können wir dich ja auf keinen Fall.“
Das Mädchen schüttelte heftig den Kopf. Er sah noch immer Angst in ihren Augen, weil ihr Unterbewusstsein ihr sicher sagte, dass er auch nicht gerade zu den Guten gehörte. Doch im Vergleich zu ihren Entführern war er das kleiner Übel und vor allem wollte sie hier raus. Den Gefallen konnte er ihr tun.
Die Gitterstäbe auseinander zu drücken war ein Leichtes. Samara kletterte heraus und klammerte sich sofort an ihn, weil sie offenbar befürchtete, er könne sie sich selbst überlassen. Unwillig musste er zugeben, dass ihn ihre Anhänglichkeit rührte, was nicht zu seinem Image passte, aber es war ja niemand da, der Zeuge wurde, also gab er seinen Gefühlen nach und streichelte ihr zärtlich über den Kopf. Ihr Haar fühlte sich seidig unter seinen Fingern an, obwohl es zerzaust war.
„Soll ich dich zu deinen Eltern zurückbringen?“, fragte er.
Sie blickte zu ihm hoch, Tränen ließen ihre Kulleraugen schimmern. Entschlossen schüttelte sie den Kopf. Das fing ja toll an, sie hatte doch hoffentlich nicht die Absicht, bei ihm zu bleiben, so mildtätig wollte er nun auch wieder nicht werden, sonst war sein schlechter Ruf bald gänzlich versaut.
Um Geduld bemüht, hockte er sich vor sie hin und stupste ihr auf die Nase. „Also, kleine Lady, um eins klarzustellen: Bei mir kannst du nicht bleiben. Ich bin ein ziemlich übler Bursche, klar?“ Sie schaute zwar zweifelnd, nickte aber schließlich. „Gut! Wo soll ich dich hinbringen?“
Sie lockte ihn mit dem Zeigefinger näher und er war ganz Ohr. Als wolle sie ihm ein großes Geheimnis mitteilen, beugte Samara sich vor und flüsterte etwas.
Er grinste. „Na das ist ja mal überhaupt kein Problem.“
O du sehnend schlagend Herz
Sein Kopf wog zentnerschwer auf seinen Schultern. Er verlor Jenny, das war Franklin klar. Entweder sie starb, oder sie wurde zum Vampir. Er wusste nicht, welches Schicksal er schlimmer finden sollte. Das Ergebnis blieb – sie war verloren. Wie sollte sie als Bluttrinkerin im Mutterhaus weiterleben? Jenny war so jung. Zu jung um zu sterben, aber ebenso zu jung für das Dunkle Blut. Wie hatte das nur geschehen können? Und warum hatte er sich auf diese vage Chance eingelassen, die Steven und Lucien anführten? Es konnte genauso gut vergebens sein.
Sechzehn Jahre – sie verdiente dieses Schicksal nicht. Ihre zarte, jugendliche Seele konnte so etwas nicht ertragen, unmöglich. Und doch, er hatte ähnlich junge Vampire gesehen an der Seite des Vampirlords Saphyro. Auch er konnte kaum mehr als zwanzig ägyptische Sommer erlebt haben, ehe Kaliste ihm den Blutkuss gab und heute führte er seit über fünftausend Jahren ein Leben der Finsternis. Aber hatte nicht gerade er über seine Schützlinge gesagt, dass sie nicht für die Ewigkeit geschaffen waren? Andererseits war da Ramael. Wie alt mochte der Junge in sterblichen Jahren gezählt haben, als er verwandelt wurde? Franklin schätzte gemessen an der Zeit aus der er stammte und den damaligen Verhältnissen, dass er vielleicht fünfzehn oder sechszehn war, als er seinen Körperverkaufte, um die Familie zu ernähren. Und auch er lebte immer noch. Gab es also auch für Jenny die Chance? Er konnte sie in Saphyros Obhut geben, doch würde sie das wollen? Er konnte nicht einfach über ihren Kopf hinweg entscheiden. Verflucht, aber genau das taten sie momentan. Unter dem Deckmantel ihrer Rettung bestimmten sie über sie und verdammten sie zu einem Leben als Bluttrinkerin.
„Aber es wird ihr Leben retten“, erklang eine ungerührte Stimme vom Kamin.
Franklin fuhr wie von der Tarantel gestochen hoch und blickte in Luciens unergründliche Augen. Dass ihn Jennys Schicksal nicht weiter belastet, war ihm klar, das hatte er auch nicht erwartet.
„Ich sehe, du brütest über der Kopie, die ich dir mitgebracht habe“, gab sich der Lord interessiert.
„Für die du immer noch keinen Preis genannt hast“, schnappte Franklin.
„Aber das habe ich. Eine Schuld. Sie wird sich irgendwann finden, mein lieber Franklin.
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