Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
an einen Löwen, der seine Beute packt. Und genauso griffen seine Klauen zu, drückten mich auf den Boden, bis ich mich nicht mehr rühren konnte. Statt ihn zu töten, wie es meine Aufgabe gewesen wäre, würde ich nun sterben. Aber sein Plan war vereitelt. Zumindest einen kleinen Sieg konnte ich damit verbuchen, ehe ich das Zeitliche segnete. Ich dachte an Franklin und Armand. Hoffentlich überwand mein Vater den Verlust und hoffentlich musste Armand nun nicht für meine Tat büßen, indem sie ihn umso qualvoller sterben ließen.
Mit gebleckten spitzen Zähnen näherte sich Sylions Gesicht meiner Kehle.
Es würde nichts von mir übrigbleiben.
Die Sougven fraßen ihre Opfer ganz und gar. Göttin, lass es nur schnell vorüber sein, dachte ich, da zuckte Sylion zusammen. Seine Hände um meine Arme wurden zu Schraubstöcken. Starr und unnachgiebig. Ein merkwürdiger Glanz überzog seine Augen. Da fiel ein Tropfen Blut auf meine Lippen. Brennendes Dämonenblut, das sich zischend seinen Weg durch meine Haut in meinen Körper bahnte. Mein eigener Dämon gierte nach diesem besonderen Blut. Ein weiterer Tropfen fiel. Sylions Blick hing ungläubig an dem funkelnden Rot, das an meinem Mundwinkel entlang lief. Sein Mund stand offen, wie zu einem Schrei, doch es kam nur ein heiseres Stöhnen heraus. Langsam hob er den Blick. Ich tat es ihm gleich. Ein pochendes Herz in einer schmalen, gepflegten Hand mit glitzernden Nägeln. Sein Dämonenherz. Wir blickten höher, an dem Herz vorbei, in Luciens kalt schimmernde Augen.
Ich sah ihn lächeln. Sah, wie Sylions Blick flehend, das Lächeln des Lords breiter wurde. Und dann zerplatzte das Herz in seinen Fingern in tausend Stücke und ein warmer Regen von dämonischem Blut ergoss sich auf mein Gesicht. Ich glaubte, Yrioneths Sohn schreien zu hören, doch es war mein eigener Schrei, als der Dämon auf mir in Flammen aufging und mein Fleisch in seinem Feuer versengte.
Eine Stunde später lag ich noch immer in Luciens Armen. Zweimal hatte er mich von seinem Blut trinken lassen. Jetzt waren die Spuren des Feuers verblichen, sogar das flüssige Metall des Schlüssels verschwunden, auch wenn die Hand noch immer kribbelte. Nur meine verbrannten Kleider zeugten noch davon, dass ich in Flammen gestanden hatte. Und mein Zittern, weil die Schmerzen noch nicht ganz vergangen waren. Das Fleisch mochte geheilt sein, aber die Nervenenden sprachen weiterhin von der tödlichen Hitze.
„Du schuldest mir dein Leben,
thalabi
. Ich hoffe, das vergisst du nie.“
Unter die Dankbarkeit mischte sich eine bittere Note. Bei Lucien hatte alles seinen Preis.
„Wie bist du Kaliste entkommen?“, fragte ich.
Um seine Lippen legte sich ein harter Zug. Ihm gefiel nicht, dass ich diese Frage stellte, noch weniger die Antwort.
„Mein Dunkler Sohn hat mich befreit.“
Einen Augenblick fragte ich mich, woher Lemain das gewusst haben könnte und weshalb er für Lucien sein Leben riskierte, indem er sich mit der Königin und ihren Ghanagouls anlegte. Doch dann wurde mir bewusst, warum es Lucien so sehr schmerzte. Nicht Lemain – Dracon! Ich konnte ein Auflachen nicht unterdrücken.
Der Letzte in dessen Schuld Lucien stehen wollte, doch nun tat er es zweifellos. Zwar stellte sich auch bei Dracon die Frage, woher er von Luciens Entführung erfahren hatte, aber der Drache hatte seine Augen und Ohren überall. Und er fürchtete weder Kaliste, noch ihre Wächter. Blieb also nur die Frage nach dem Warum.
„Er wollte deinen Standpunkt widerlegen, dass er nichts taugt“, antwortete Lucien kühl auf meine Überlegungen.
„Und was ist mit Kaliste? Weshalb ist sie nicht hergekommen? Hat Dracon sie …?“
Lucien schüttelte den Kopf. Darauf wusste auch er keine Antwort. Wo man ihn gefangen gehalten hatte, gab es jedenfalls keine Spur von ihr. Es bestand durchaus noch die Möglichkeit, dass sie hier aufkreuzte und dann wollte ich lieber nicht mehr hier sein. Ohne Schlüssel konnte sie auch mit meinem Ring das Tor nicht öffnen. Sie würde eine ziemlich schlechte Laune bekommen, wenn sie davon erfuhr.
Ein Geräusch hinter uns ließ Lucien und mich gleichzeitig aufspringen, auch wenn ich im Vergleich zu ihm recht wackelig auf den Beinen stand. Eine große Hilfe wäre ich nicht, im Fall, dass Kaliste in ihrer Wut hereingeschneit käme.
Doch der Neuankömmling hatte keinerlei Ähnlichkeit mit unserer Königin, stattdessen zog mir sein Erscheinen fast wieder den Boden unter den Füßen weg und brachte mein Herz zum
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