Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
schwer. Sein Verstand sagte ihm, dass er handeln musste, ehe der Zwerg sich von seinem Schreck erholte, sonst musste er für alle Ewigkeit in dieser Zelle bleiben, ohne zu wissen, weshalb er überhaupt hier war. Und Mel? Was dachte sie? Fühlte sie sich verlassen? Verraten? Oder suchte sie nach ihm? War sie gar in einer ähnlichen Situation wie er? Der Schock über diese Möglichkeit riss ihn ins Leben zurück. Mel! Ihr Bild stand klar und deutlich vor seinem geistigen Auge, gab ihm den Antrieb, den er brauchte.
In buchstäblich letzter Sekunde stürzte er vorwärts, griff durch das Gitter, einen Stab zu weit. Er spürte das Prickeln des Stroms auf seinem Unterarm, der sich bereits brennend in sein Fleisch fraß, doch Zurückweichen war undenkbar. Seine Hand tastete, bekam etwas zu fassen, das sich nach Stoff anfühlte, glitt höher und umgriff die warme Haut der Kehle. Währenddessen schob er auch den anderen Arm zwischen die Stäbe, schlang ihn um die Taille des Zwergs und zog ihn so fest gegen das Gitter, dass er die Wirbel knacken hörte.
„Wo bin ich hier?“, herrschte er die winselnde Kreatur an. Sein Wärter strampelte, versuchte sich zu wehren, wodurch Armands Arm mehrmals das kalte Metall berührte. Jedes Mal glaubte er vor Schmerz vergehen zu müssen und der widerliche Gestank, angesengten Fleisches ließ ihm Galle in die Kehle steigen. Doch er gab nicht nach, und da sich die Stromschläge durch den Kontakt auch auf den Zwerg übertrugen, hielt dieser schließlich still.
„Rede, verdammt! Wo bin ich und warum bin ich hier?“
„Du bist hier, weil die Herrin es befohlen hat und wirst hier bleiben, solange sie es will.“
„Wer ist sie?“
Ein hässlich-gackerndes Lachen war die Antwort. Armand packte fester zu, bis der Kerl stöhnte. „Du kannst nicht entkommen, diese Mauern werden nicht umsonst die Festung ohne Wiederkehr genannt. Finde dich damit ab, dass du deine Liebste nie mehr wiedersiehst.“
Ohnmächtige Wut ergriff von Armand Besitz. Melissa!
„Was habt ihr mit ihr gemacht?“ Er verfluchte die Tatsache, dass er nicht sehen konnte, vielleicht hätte eine Regung im Gesicht des Zwerges ihm etwas verraten, doch seine Augen waren ebenso blind wie sein Geist. Er empfing auch keine Gedanken, egal wie sehr er sich bemühte. Es war hoffnungslos, aus dieser Kreatur bekam er nicht mehr raus und das Halbwissen, die böse Ahnung, die sein Herz zu vergiften begann, war schlimmer als das Nichtwissen zuvor. Verzweiflung und Hass kämpften in seiner Brust, bis letzterer schließlich überwog. Ein beherzter Ruck am Kinn und das Genick zerbarst, der kleine Körper erschlaffte in seiner Umklammerung.
Geschafft. Keuchend gestattete sich Armand einen Moment der Erholung, bis Welodan ihn wieder durch seine Augen sehen ließ. Damit war es leichter, die Schlüssel zu greifen. Er musste sich beherrschen, um langsam und mit Bedacht den richtigen Schlüssel zu finden, ins Schloss zu fädeln und umzudrehen, seine Hand zitterte.
Endlich erklang das ersehnte Knacken, die Tür sprang auf und Armand taumelte aus seinem Gefängnis. Er fiel vor Welodan auf die Knie und hielt sich erst einmal an seinem Freund fest, bis das Zittern in seinen Glieder nachließ.
„Danke, Welodan“, flüsterte er ins dichte Fell am Hals des Panthers.
Doch die Erleichterung war nicht von langer Dauer, denn gleißend heller Schmerz fuhr ihm in die Glieder, dass er glaubte, sein Fleisch würde ihm von den Knochen gerissen. Er würgte, übergab sich auf den Steinboden. Schüttelfrost beutelte ihn und zog und zerrte in unerträglichem Krampf an seinem Körper. Seine Eingeweide glühten förmlich, es fühlte sich an, als koche er innerlich. Da erst begann er langsam zu begreifen, dass es nichts anderes war, als die abrupt einsetzende Heilung durch das Dunkle Blut, die so viele Tage durch eine Art Bann in der Zelle verhindert worden war, als sei er Superman und die Zelle aus Kryptonit.
Stöhnend streckte er sich auf dem kalten Boden aus, Welodan drückte sich fest an seine Seite, um ihn zu wärmen. So lagen sie eine halbe Ewigkeit, bis die Anfälle schwächer wurden und schließlich ganz verschwanden. Armand blinzelte, das Bild war noch verschwommen, aber es klärte sich schnell. Die Lider waren soweit abgeschwollen, dass er nun seine Umgebung erkennen konnte. Mit Widerwillen öffnete er die Käfige mit den Ratten und labte sich an deren Blut, um weiter zu Kräften zu kommen. Etwas sagte ihm, dass er es sicher brauchen würde, wenn er
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