Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
wieder nach Miami, um dort auf weitere Anweisungen von Sir Maxwell zu warten. Franklin war verständlicherweise wenig begeistert, da er sich um den Schlüssel sorgte, aber er sah ein, dass wir keine Wahl hatten, wenn wir vermeiden wollten, aufzufliegen. Und da ich den Schlüssel vorerst in Luciens Burg deponierte, die nahezu uneinnehmbar war, gab er schließlich nach. Nicht ohne ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass er Lucien nicht über den Weg traute und ich daher erst recht auf den Althea-Schlüssel achten solle.
Lucien amüsierte sich wie immer köstlich über meinen Vater. Es war ihm ein Rätsel, wie Franklin darauf kam, er könne an der Öffnung von Darkworld interessiert sein. Ein paar Unsterbliche weniger, die für Ärger und unerwünschtes Aufsehen sorgen konnten. Seiner Meinung nach sollten noch sehr viel mehr Dämonen, Engel, Satyre und sonstige Wesen hinter dem Tor eingekerkert werden, um das Leben aller hier draußen angenehmer zu machen. Aber das war nicht seine Angelegenheit. Er stellte mir lediglich ein sicheres Versteck für das Relikt zur Verfügung, mit dem man die Schlösser wieder öffnen konnte, die den Weg nach Darkworld versiegelten. Ansonsten ging er lieber zu angenehmeren Dingen über.
„Ich möchte dir jemanden vorstellen,
djamila
“, sagte er, als ich aus der Geheimkammer wieder nach oben kam. „Einen guten Freund. Er wird uns morgen Nacht besuchen, ich habe ihn zum Essen eingeladen.“
Ich schaute ihn erwartungsvoll an. Jemand, den ich noch nicht kannte und das, obwohl Lucien sichtlich viel an ihm lag. Das war ungewöhnlich, denn nachdem ich nun zum zweiten Mal mehrere Monate in seiner Nähe lebte, hatte ich fast alle seine Freunde und Geschäftspartner kennen gelernt. Bei diesem Mann handelte es sich für ihn geradezu um eine Kostbarkeit. Ich musste schmunzeln, denn es geschah selten, dass Lucien derart viel für jemanden übrig hatte.
„Sein Name ist Steven Blenders. Er ist Unfallchirurg in der Notaufnahme des Miami Medical.“
Jetzt wurde aus meinem Schmunzeln ein ausgemachtes Grinsen.
„Du unterhältst eine Freundschaft zu einem Unfallchirurgen? Ist das deine Notversorgung, wenn dir die ‚Blutspender’ ausgehen?“
Lucien erwiderte mein Grinsen mit einem nachsichtigen Lächeln und wandte sich zum Gehen. Die Sonne würde bald aufgehen. An der Tür blieb er noch einmal stehen.
„Übrigens, Steven ist ein Vampir.“
Dann war er verschwunden. Das Grinsen gefror mir auf den Lippen. Ein Vampir? Als Chirurg in der Notaufnahme? Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Welche Wirkung frisches Blut auf alle Angehörigen meiner Spezies ausübte, war mir mehr als bewusst. Das war unmöglich, oder etwa doch nicht? Mir blieb nichts übrig, als meine Neugier bis zum nächsten Abend zu zügeln und mich überraschen zu lassen.
Als ich den Thronsaal betrat, fand ich diesen leer vor. Der Tisch war nicht gedeckt, es stand kein Blutwein bereit und von Lucien war weit und breit keine Spur. Doch Gillian, Luciens blondes Hausmädchen, kam gleich nach mir herein und bat mich in seinen privaten Trakt.
Die Burg auf der Isle of Dark hat zwei Gesichter: Das mittelalterliche Gemäuer, in dem er den großen Lord spielt, und einen modernen Wohnbereich mit allen Annehmlichkeiten, in dem er sterbliche Gäste zu empfangen pflegt. Beides ist mit einem Geheimgang verbunden, dessen Zugänge so perfekt ins jeweilige Wohnambiente eingepasst sind, dass sie einem unwissenden Betrachter nicht ins Auge fallen. Luciens Gemälde zieren den Gang, allesamt so unheimlich lebendig, obwohl sie doch nur aus Leinwand und Ölfarben bestehen. Doch mit seiner dämonischen Gabe haucht er ihnen etwas ein, für das ich weder Worte noch Erklärungen finde.
Lucien hatte im Speisesaal eindecken lassen. Bordeauxfarbene Tischdecke und Servietten, weißes Porzellan, Kristallgläser und silbernes Besteck. Appetitliche Düfte zogen aus der Küche herüber und ließen mich verwirrt innehalten, auch wenn sie mir das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen.
„Du sagtest doch, Steven ist ein Vampir.“
Lucien drehte sich lächelnd zu mir um.
„Steven teilt deine Neigungen,
thalabi
. Ich kann zwar nicht begreifen, warum man an menschlichen Speisen festhält, aber der Gast ist bei mir König.“
Ich ersparte mir den Kommentar, dass er für mich nie kochen ließ. Aber ich war ja auch kein Gast im herkömmlichen Sinne.
„Ist Dr. Blenders noch nicht angekommen?“
„Andy holt ihn gerade vom Hafen ab.“
Warum um alles in
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