Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
ich ihn sehen wolle. Alles was ich tun konnte, war mit ihm reden und hoffentlich eine Schadensbegrenzung erreichen. Da mein Blut ihn nicht abhielt, gab es sonst keine Möglichkeit mehr für mich, ihn von Warren fernzuhalten, es sei denn ich zog in Erwägung, ihn zu töten. Doch da hatte es in der Vergangenheit weitaus schwerwiegendere Dinge gegeben, die seinen Tod gerechtfertigt hätten und er lebte immer noch. So sehr ich Warren auch mochte und so wichtig mir sein Seelenheil war, ich musste mich daran erinnern, dass er nur ein Mensch war. Einer von vielen. Dass ich ihn kannte, durfte dabei keine Rolle spielen, wenngleich mein menschliches Herz immer noch damit haderte.
Irgendwie setzten die Geschehnisse mir mehr zu, als ich mir eingestehen wollte. In den letzten Wochen hatte ich mehrere Anfälle von Schwäche und Übelkeit erlebt für die ich keine Erklärung fand und im Augenblick fror ich entsetzlich, obwohl mir Kälte normalerweise nichts ausmachte und die Temperaturen angenehm waren. Davon wollte ich mir natürlich nichts anmerken lassen, da Dracon jegliche Schwäche sicherlich nutzen würde.
Er erschien pünktlich am Treffpunkt, beäugte mich misstrauisch, fürchtete eine erneute Attacke, denn bei unserer letzten Begegnung war er nicht unbeschadet davon gekommen. Seitdem hatten wir uns weder gesehen, noch ein Wort miteinander gewechselt. Und es ging um denselben Mann wie damals, daher konnte er mich schwer einschätzen.
„Lass uns ein wenig spazieren gehen“, bat ich sanft. Ich wollte unsere Begegnung nicht mit einem Streit beginnen, schon gar nicht in Anbetracht meines Anliegens. Er stimmte zu und so schlugen wir den Weg Richtung Regents Park ein, spazierten im fahlen Licht des Vollmondes durch die Alleen aus kunstvoll geschnittenen Sträuchern, vorbei an uralten Eichen und Trauerweiden. Der Duft der Frühlingsblumen umgab uns und die Luft war durchtränkt von den Geräuschen der Nacht.
Dracon fühlte sich sichtlich unwohl, weil er sich denken konnte, warum ich das Gespräch mit ihm suchte. Es war ein trügerischer Frieden, der zwischen uns herrschte. Er konnte jederzeit wieder gegen mich handeln und auch ich würde jeden Fehler von ihm erbarmungslos gegen ihn einsetzen. Dafür kannte ich ihn und seine Spielchen zu gut. Ich hatte den Vorteil, dass er noch immer nicht dahintergekommen war, was es mit der Flüssigkeit auf sich hatte, die ihm ins Gesicht gespritzt war, als er Warren damals bedrohte. Und vermutlich fürchtete er, dass ich es jetzt noch mal tat, nachdem er mit Warren geschlafen hatte. Nicht ganz unfreiwillig, aber auch nicht ganz freiwillig. Da war ich aus Warrens Bericht nicht recht schlau geworden. Dracon würde mir kaum genaueres liefern, aber darum ging es auch nicht. Dracon hatte sich in Warren verliebt. Er musste das nicht erst sagen, ich wusste es auch so. Sah es an seinem sehnsüchtigen Blick, als der Name fiel. Diese leise Verzweiflung in seinen Augen sagte mir alles. Hier ging es mit einem Mal nicht mehr nur um Macht und Unterwerfung.
„Du liebst ihn“, stellte ich schließlich fest und beobachtete ihn genau, um mich nicht von Worten täuschen zu lassen. Denn dass er es nicht sofort zugab, war mir klar. Das hätte nicht zu seinem Image des Bad Boy gepasst, und auf das war er stolz.
„Pah! Liebe!“ Er machte eine wegwerfende Geste. „Was bedeutet so etwas schon für mich?“
„Und doch ist es so.“ Ich blieb beharrlich.
„Warum denkst du, dass ich ausgerechnet ihn liebe?“
Er war stehen geblieben, blickte mich herausfordernd an und lehnte sich betont lässig gegen den dicken Stamm einer Eiche. Ich lächelte ein wenig ironisch und lehnte mich mit dem Rücken an den Stamm ihm gegenüber.
„Weil du ihm nichts getan hast.“
„Nichts getan?“ Er zog die Augenbrauen hoch. „Ich habe ihm das Handgelenk gebrochen.“
„Komm schon! Du hast es angebrochen, mehr nicht. Und ansonsten hast du ihm nichts getan. Du wärest nie so zartfühlend mit ihm umgegangen, wenn du nichts für ihn empfinden würdest. Wer wüsste das besser als ich?“
Er besaß den Anstand, beschämt zur Seite zu blicken, als ich auf unsere erste Begegnung anspielte, bei der ich bei weitem nicht nur mit einem angeknacksten Knochen davongekommen war.
„Und das angebrochene Handgelenk war meiner Meinung nach auch nur ein Versehen.“
„Ich mache so etwas aber nicht aus Versehen“, gab er zurück und betonte das Wort Versehen übermäßig. „Du solltest mich besser kennen.“
„Vielleicht kenne ich
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