Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
ich komme nach.“
Er folgte uns ein paar Minuten später. Ich roch Blut, fuhr besorgt zu ihm herum, aber er lächelte mich beruhigend an. „Alles in Ordnung. Sie haben mir nichts getan.“
„Aber du blutest.“
„Die Wunde habe ich mir selbst beigebracht. Vertrau mir. Lass uns weitergehen.“
Die Dunkelheit veränderte sich, schluckte jedes Licht, bis die Taschenlampe nutzlos wurde. Wir tasteten uns mehr vorwärts, als dass wir uns orientiert hätten. Ich zwang mich, nicht darüber nachzudenken, dass weitere von diesen Hunden oder etwas anderes, Schlimmeres sich hier herumtrieb.
Bei jedem Geräusch – selbst unserem eigenen Atem – zuckten Franklin und ich zusammen. Lediglich Armand blieb gefasst und übernahm die Führung. Er setzte seine Schritte sicher und ohne Zögern. Spürte er nicht die Gefahr, die wie eine eisige Wolke durch die Gänge zog?
Ein Fehltritt wurde mir zum Verhängnis. Unter meinen Füßen geriet ein Stein ins Rutschen und meine schweißnassen Hände entglitten sowohl Armand als auch Franklin. Ich rutschte einen Hang hinab, fühlte, wie mir Felsnasen die Haut aufschnitten. Nach knapp zehn Metern blieb ich liegen. Ich konnte nichts sehen, aber über mir hörte ich, wie Armand und mein Vater versuchten, sicheren Fußes zu mir runterzukommen.
„Mir ist nichts passiert“, rief ich. Damit schreckte ich einen Schwarm von Tieren auf, die in meiner Nähe gesessen hatten. Ich hatte Fledermäuse im Kopf, aber das war weit hergeholt. Sie besaßen nur entfernt Ähnlichkeit. Ihre Flügelschläge brachten immerhin Licht, weil sie fluoreszierten, doch dieses zeigte glühende Augen, gleich fünf je Exemplar, scharfe Zähne und einen lederüberzogenen Knochenleib.
Sie stoben den Abhang hinauf, den ich hinuntergerutscht war. Alles ging sehr schnell. Ich wollte meine Begleiter noch warnen, da hörte ich Franklin schon aufschreien und auch Armand fluchen, weil die Biester ihnen mit ihren Krallen zu Leibe rückten. Gleich darauf erklang ein Schuss.
Der Schmerz kam überraschend. Ein heißes Brennen. Wie ein glühendes Messer, das durch ein Stück Butter gestoßen wird. Es fühlte sich an, als würde mein Körper von der Eintrittswunde aus anfangen zu schmelzen, was natürlich Unsinn war. Oder doch nicht? Woher sollte der Schuss stammen, wenn nicht aus Franklins Pistole? Elektrum! Für einen Moment raubte es mir den Atem. Bruchteile einer Sekunde. Ich blickte an mir hinunter, konnte aber nach Verschwinden der Flatterviecher nichts mehr sehen. Mit der Hand fuhr ich über mein Brustbein und fühlte Blut. Die Kugel war dort eingedrungen, hatte meine Lunge durchschlagen und war weiter zur Wirbelsäule geglitten. Dort konnte ich sie jetzt fühlen. Sie hatte einen Wirbelkörper getroffen, das Rückenmark, die umliegenden Nervenbahnen zerfetzt und steckte im Knochen. Als ich es registrierte, brachen mir auch schon die Beine weg und verloren jedes Gefühl. Aber die Lähmung ging noch weiter. Ich spürte, wie meine Hände taub wurden und dann mein Gesicht. Einsetzende Totenstarre. Der Atem stoppte, das Herz blieb stehen – einen Takt, zwei Takte, drei Takte. Mein Verstand arbeitete weiter und fragte sich, wann der Herzschlag wieder einsetzte. Als es geschah, konnte ich spüren, wie das Blut an der beschädigten Stelle in meinem Körper zusammenströmte. Wie die Blutkörperchen ihre Arbeit aufnahmen. Kleine Präzisionschirurgen, die jede Nervenzelle wieder zusammenfügten und die Knochensplitter der Wirbelsäule an ihren richtigen Platz schoben. Langsam kam das Gefühl zurück. Zuerst in die Arme und Hände. Ich schob meine linke Hand unter meinen Rücken, tastete entlang so gut es ging, erreichte die Kugel aber nicht und gab auf.
„Melissa!“
Armand hatte mich erreicht. „Kugel“, hauchte ich. „Rücken.“
Er drehte mich um, fuhr meine Wirbelsäule entlang, bis er das Projektil fand. Mit seinem Fingernagel ritzte er die Haut auf und holte den Fremdkörper heraus. Die Wunde schloss sich. Und fast im gleichen Augenblick kehrte auch in meine Beine das Gefühl zurück. Ein paar Minuten später stand ich wieder auf meinen Füßen und ließ mich von meinem Vater abtasten und in die Arme schließen.
„O Melissa! Was hab ich getan?“
„Nichts Vater! Es ist gar nichts passiert. Alles in Ordnung.“
„Wärest du kein Vampir, wärst du jetzt tot. Ich habe meine eigene Tochter erschossen!“
„Hätte ich die Kugeln nicht letzte Nacht noch ausgetauscht, wäre sie es trotzdem“, zischte Armand.
Ich
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