Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
wegbringen lassen“, erklärte er.
„Wohin? Und warum ist er nie von sich aus zurückgekommen?“
„Das konnte er nicht“, gestand Franklin und sein Gesicht nahm einen leidvollen Ausdruck an. „Bitte, Mel, vergib mir. Er wird mir nie verzeihen, aber wenigstens du.“
Er klang verzweifelt, flehend und ich legte meine andere Hand auf seine, mit der er mich noch immer festhielt.
„Er weiß nicht einmal, wo er ist. Und er dürfte sehr bald schon gelernt haben, dass Flucht dort unmöglich ist. Es ist eine Außenstation des Ordens. Tief unter der Erde. In der Namibwüste. Ein Ort, wo schon viele hingebracht wurden, wenn sie unbequem, zu alt oder eine Gefahr geworden sind. Sie forschen, recherchieren und dokumentieren für uns. Sie erhalten Daten und Proben aus aller Welt. Doch sie können keinen Kontakt nach außen aufnehmen. Nicht einmal zu den Leitern dieser Einrichtung, die als Verbindung zwischen ihnen und den Ordenshäusern in der Welt dienen. Irgendwann findet sich jeder damit ab.“
In meinem Kopf formte sich ein einzelnes Wort in hellroten Buchstaben auf schwarzem Grund: MAGISTER!
Franklins Blick ging ins Leere. Es musste furchtbar für ihn sein, darüber nachzudenken und zu sprechen. Noch einmal zu realisieren, was er Ben angetan hatte. Er hatte ihn als eine Gefahr innerhalb des Mutterhauses gemeldet. Wenige Stunden später war Ben abgeholt worden.
Wo genau diese Station lag, wusste Franklin nicht. Wie schlimm musste es für Ben gewesen sein. Verstoßen, vertrieben. Weggesperrt und von der Außenwelt isoliert. Gerade Ben. Der lebensfrohe, liebenswerte Ben.
Stummes Schluchzen schüttelte meinen Vater. Es quälte ihn. Er hatte dieses Geheimnis nicht mit ins Grab nehmen wollen. Wünschte ich es ihm jetzt? Natürlich nicht. Ich sorgte mich noch immer um ihn und hoffte, dass er sich schnell erholte. Wegen Ben … es tat weh. Um ihn und weil mein Vater so etwas getan hatte. Dass er darüber nicht sprach, war verständlich. Das Magister forderte absolute Verschwiegenheit.
„Armand kam zu mir ans Bett. „Lätitia ist im Gang. Sie wird gleich hier sein.“
Meinem Vater fielen bereits die Augen zu. Ich strich ihm das feuchte Haar aus der Stirn.
„Schlaf jetzt, Franklin. Du bist erschöpft. Und du brauchst deine Kraft, um wieder gesund zu werden. Ich glaube dir, dass es dir leidtut. Und ich verzeihe dir.“
Er wurde ruhiger. Das Reden hatte ihn sehr ermüdet. Nicht lange und er schlief tief und fest.
Leise verließen Armand und ich das Zimmer, lächelten Lätitia zu, die kam, um ihm seine Spritzen zu geben.
Draußen vor der Tür, umgeben von der Schwüle des Dschungels sagte ich Armand, was Franklin mit gestanden hatte und zu welchem Entschluss es mich führte.
„Pass auf meinen Vater auf. Ich komme zurück, so schnell ich kann.“
„Denkst du ernsthaft, dass er noch lebt?’“
Ich nickte. „Man hätte Franklin über seinen Tod unterrichtet. Wenn er sagt, Ben lebt noch, dann ist das auch so.“
Ob er verstand, dass ich ihn nicht dort lassen konnte? Zumindest wünschte er mir Glück und gab mir einen Kuss zum Abschied, ehe er an Franklins Krankenbett zurückkehrte.
Ich wandte mein Gesicht dem Himmel zu. Namibwüste. Ich würde Ben finden. Und egal, was er in den letzten Jahren durchlitten hatte, bald war er wieder frei.
Über der Namibwüste öffnete ich meine Sinne und ließ mich treiben, bis ich den Ort fand, den ich suchte. DieSchwingungen waren kaum wahrnehmbar. Als gäbe es keine Menschen dort unter dem Sand. Doch ich wusste, sie waren da, und Ben war einer von ihnen.
Der Eingang des Bunkers verschmolz vollständig mit der Umgebung. Wie konnte man tief unter dem Sand Menschen für Jahre einsperren und am Leben halten? Ich würde es gleich erfahren. Meine Hand glitt über das Tor, suchte nach einem Mechanismus, mit dem es sich öffnen ließ. Irgendwie musste man es doch bedienen können.
„Lass mich mal sehen.“
Erschrocken fuhr ich herum – und sah Armand ins Gesicht.
„Dachtest du, ich lass dich allein ins Unglück rennen?“, flüsterte er. „Du wirst dich nie wieder einer Gefahr stellen müssen, ohne mich an deiner Seite.“
Seine Nähe beruhigte mich. Mir wurde augenblicklich leicht ums Herz. Wenn er dabei war, würden wir es schaffen.
Er brauchte nicht lange, um den kleinen Schaltkasten zu finden. Die Knöpfe des Öffnungscodes waren abgenutzt, die Reihenfolge für einen Hacker mit vampirischem Verstand ein Kinderspiel.
Hinter dem Tor erwarteten uns ein Labyrinth und jede
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