Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
entgegen. „Du könntest ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit an den Tag legen.“
„Tu ich doch. Den hätte sogar ein Kollege übernehmen können. Wär nicht weiter aufgefallen. Außer ein paar verbogenen Nadeln vielleicht.“
Heute Nacht kamen erfreulich wenig PSI-Wesen in die Notaufnahme. Der Troll hatte eine Schlägerei beendet, dabei aber einiges abbekommen.
„Wir nehmen den Tacker. Dann verbiegen wir nicht so viele Nadeln.“
Sie betraten den Behandlungsraum. Der Troll, Murdoc Thomson, saß auf einer Liege, die sich unter seinem Gewicht bedenklich durchbog. Die Nase schien gebrochen, es fehlten zwei Schneidezähne, das linke Auge war zugeschwollen und aus einer der zwei Schnittwunden auf seinem Oberkörper floss unaufhörlich Blut. Letzteres irritierte Steven. Normalerweise hatten Stadt-Trolle eine gute Blutgerinnung.
„Guten Abend Murdoc. Du siehst ja übel aus.“ Der Troll war nicht zum ersten Mal hier. Als Türsteher handelte er sich häufiger Verletzungen ein.
„Halb so wild. Das will nur nicht aufhören zu bluten. Keine Ahnung, was das für eine Klinge war. Hat hübsch geglitzert das Teil.“
Steven gefiel das nicht. Er streifte sich neue Handschuhe über, während Jessica die Schnitte desinfizierte. „Dann wollen wir uns das mal ansehen.“
„Da scheint noch was drin zu stecken“, meinte Jessi.
Während sie den Schnitt ein wenig spreizte, griff Steven zu einer Pinzette und holte gleich darauf einen winzigen Splitter aus der Wunde. Murdoc verzog das Gesicht.
„Ein großer Kerl wird sich doch nicht von einem Splitter umwerfen lassen“, meinte er augenzwinkernd und ließ das Objekt in eine Nierenschale fallen. Er gab Jessica ein Zeichen und sie räumte die Schale beiseite. Ihn beschlich ein Verdacht, den er lieber selbst überprüfen wollte.
Nachdem die Wunde sauber war, setzte die Blutgerinnung ein. Zwanzig Tackerklammern und ein paar Pflaster später konnte Murdoc die Klinik verlassen.
„Was ist das?“ Jessica beugte sich neugierig über Stevens Schulter, während er den Splitter unter ein Mikroskop schob.
„Wenn es das ist, wofür ich es halte, haben wir ein Problem.“
Das Ding war winzig, aber es bestand kein Zweifel. Diese Substanz würde man in sämtlichen Laboren der Erde vergeblich suchen.
„Shit!“
„Was?“
Er hatte keine Lust, Jessica von Elektrum zu erzählen. Je weniger von dieser Substanz wussten, umso besser. Aber irgendwas musste er sagen. „Das sieht den Kugeln, die ich der Lycanerin im Leonardo’s entfernt habe, verdammt ähnlich.“
„Aber das hier war doch eine Klinge. Was ist so Besonderes daran, dass du eine Parallele erkennst?“
Er fasste sie an den Schultern und sah sie eindringlich an. „Bitte Jess, versprich mir, dass du zu niemandem ein Wort sagst. Vor allem nicht im Untergrund. Ich kenne ein paar Leute, die können damit vielleicht was anfangen. Ich fürchte, wir werden demnächst häufiger im Team arbeiten müssen. Im Interesse der speziellen Patienten.“
Es war ihr anzusehen, dass sie nicht verstand, was er meinte. Aber sie himmelte ihn genauso an wie die meisten anderen Schwestern. Darum reichte seine flehende Miene und sie nickte schließlich.
„Du kannst dich auf mich verlassen.“
„Das weiß ich. Danke.“ Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und ließ den Splitter in seinem Kittel verschwinden.
Erschöpft stieg Steven eine Stunde später die Stufen zur Umkleide hinauf. Für heute Nacht war sein Dienst vorbei. Noch fünf Stunden bis Sonnenaufgang. Vielleicht sollte er auf die Jagd gehen, aber er war schrecklich müde und in seinem Kopf jagten sich tausend Gedanken. Er machte sich Sorgen wegen der Unruhen, weil viel zu viele verletzte PSI-Wesen in die Klinik kamen. Hatten sie sich früher nur nicht getraut, oder passierten tatsächlich zusehends mehr Unfälle und Angriffe? Dann diese Waffe und das Gerücht, das Weezle gehört hatte. Die Lage spitzte sich zu, sie saßen alle in der Klemme, falls es sich bestätigte und solche Waffen in großer Zahl in Umlauf gerieten.
In der Dusche traf er auf Thomas, einen anderen Chirurgen, der heute Nacht Dienst gehabt hatte. Anfang dreißig, praktisch frisch von der Uni ins Miami Medical gekommen und sehr begabt, soweit er bisher mitbekommen hatte. Sie hatten mehrere OPs zusammen durchgeführt und sich gegenseitig assistiert. Thomas arbeitete seit gut einem Jahr hier.
„Hey Steven“, meinte er und drehte seine Dusche ab. „Eine scheiß Nacht. Wie war’s bei dir?“
Steven merkte schon am
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