Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
hatte ich den Fettnapf aber wirklich voll getroffen. „Tut mir leid. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.“
Er winkte ab und nahm einen Schluck Wein. „Es ist schon eine Weile her. Doch in Madrid erinnert mich zu viel an sie, daher wollte ich nicht länger bleiben.“
Ein Flüchtling. Das war Warren auch gewesen. Keine gute Ausgangssituation, auch wenn Ash zumindest mehr Ahnung hatte.
„Sie haben sich vermutlich viel zu erzählen und ich will nicht stören. Es stehen noch zwei Koffer oben, die darauf warten, ausgepackt zu werden.“ Er stellte das Glas beiseite und reichte erst mir, dann meinem Vater die Hand. „Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, Melissa. Ich hoffe, das lässt sich mit der Zeit vertiefen. Danke, Franklin, für meine Aufnahme in Gorlem Manor und für Ihre Ehrlichkeit. Ich weiß es sehr zu schätzen.“
Mit einer kurzen Verbeugung zog er sich zurück.
Ich sah meinen Vater fragend an. „Du wirkst nicht glücklich über seine Anwesenheit.“
Er runzelte die Stirn und rieb sich die Nasenwurzel. Ein untrügliches Zeichen, dass ihn etwas bedrückte. Besorgt legte ich meine Hand auf seinen Arm.
„Nun, es stand schon eine Weile fest, dass er kommen würde. Ich konnte daher nicht mehr ablehnen. Aber der Zeitpunkt ist ungünstig. Ich kann ihn nicht einschätzen, weiß nicht, ob man ihm vertrauen darf. Jetzt wo sich die Sangui sich überall einmischen. Und Donald Rybing kennt Ash offenbar.“
Seine Worte erschütterten mich, denn es sprach mehr als nur die Ungewissheit über einen neuen Mitarbeiter aus ihnen.
„Er hat seinen Magister in Dämonologie gemacht. Er ist ein Experte auf seinem Gebiet.“
Ich zuckte bei dem Wort Magister unwillkürlich zusammen, warf meinem Vater einen unsicheren Blick zu, doch offenbar hatte er es nicht bemerkt. Meine Nerven lagen blank, was das anging. Hatte Ashs besondere Begabung etwas mit Franklins Zweifeln zu tun? Oder warum erzählte er es mir? Es klang fast nach einer Warnung, bei Ash auf der Hut zu sein. Doch auf mein Nachfragen hin winkte Franklin ab.
„Nichts, worüber du dir Gedanken machen solltest, mein Kind. Du hast genug eigene Probleme, die mich mindestens ebenso beunruhigen.“
Da er nicht weiter auf seine Bedenken eingehen wollte, griff ich sein Stichwort auf. „Probleme habe ich durchaus. Und zwar nicht nur mit diesen Sangui und dem PU.“
„Sondern?“
Ich erzählte ihm von meiner Begegnung mit Tizian, ließ den Teil, über den ich mir noch immer nicht schlüssig war, aus und verlegte mich stattdessen auf die Vision. „Tizian erwartet, dass ich seine Hoffnungen erfülle, und da ich bislang nicht weiß wie, dachte ich mir, ich schau mich ein bisschen hier um, was ich über Atlantis und die beiden Geschwister finde.“
Franklin schaute mich nachdenklich an. „Du hast doch schon eine konkrete Vorstellung, oder?“
Lächelnd gestand ich mir ein, dass ich meinem Vater nur wenig vormachen konnte. „Ja, das habe ich. Die Schriftrolle aus Ägypten, die ich übersetzt habe.“
„Gibt es dafür einen bestimmten Grund?“
Ich erzählte ihm, was Tizian mir über ihre Ankunft in Ägypten und den Fluch erzählt hatte, den das Orakel Kaliste voraussagte. „Vieles davon findet sich in dieser Schriftrolle wieder. Die Übersetzung bereitete uns damals einige Schwierigkeiten. Ich hatte noch keine Ahnung vom Geschwisterblut und der Vergangenheit meiner Art. Wenn ich sie mir heute noch einmal ansehe, finde ich vielleicht die Fehler, die wir gemacht haben. Ich hoffe, dass darin irgendein Schlüssel liegt.“
„Nun, und was machst du, wenn du dich irrst?“
Es gab in unserer Bibliothek einige Bücher, die dem versunkenen Kontinent zugeordnet wurden. Deren Echtheit war von mehreren Experten bestätigt worden. Vielleicht stand dort etwas, das mir sagte, wie ich Kaliste entgegentreten konnte. „Etwas Besseres haben wir nicht. Irgendwo muss ich anfangen.“
„Du weißt, dass dir unsere Bibliotheken und Archive immer offen stehen. Aber sei vorsichtig, wenn du die Datenbank benutzt.“
Seine Warnung besaß einen bitteren Beigeschmack. In den Reihen von Menschen, die man bisher als Freunde betrachtet hatte, plötzlich Vorsicht walten lassen zu müssen, tat weh.
„Was ist passiert, Dad? Ich kann nicht glauben, dass du dir wegen der Sangui solche Sorgen machst. Das ist ein anderer Orden.“
„Ja, mit sehr großem Einfluss“, sagte er unerwartet harsch, wurde dann aber sofort wieder milder. „Bitte tue nichts Unüberlegtes. Ich habe seinen
Weitere Kostenlose Bücher