Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
Vermochte das dunkle Blut so etwas wieder zu heilen?
Heiß flossen zwei rote Rinnsale über meine Wangen, tropften zu Boden. Noch immer wollte kein Laut über meine Lippen. Ich fragte mich, ob er mich überhaupt erkannte oder ob die Folgen seines misslungenen Freitodes noch tiefer gingen.
Da lächelte er plötzlich, legte seine Hand auf meine, die auf seiner Wange ruhte, und brach damit das Eis.
„Einer musste sich ja um unser Kind kümmern“, meldete sich Dracon zu Wort. „Du warst beschäftigt.“
Ich blickte zu ihm hinüber und konnte ebenfalls lächeln, dem Sarkasmus in seiner Stimme zum Trotz, weil ich wieder eine Verbindung zu Warren spürte, die in den ersten Sekunden auf Messers Schneide gestanden hatte. „Danke, Dracon“, hauchte ich und biss mir auf die Lippen, weil meine Gefühle übersprudelten, ich nicht wusste, wie ich sie äußern oder wo ich mit ihnen hin sollte.
Armand kam nun ebenfalls näher, auch wenn er Dracon misstrauisch betrachtete. Er legte den Arm um mich, eine Geste, die ebenso beschützend wie besitzergreifend wirkte.
„Zusammenführung der großen Familie.“
Dracon breitete die Arme aus, als wollte er uns alle damit umschließen, tat es aber nicht. Dafür kannte er Armand zu gut.
Alwynn beobachtete die Szene aufmerksam. „Wenn es Freunde von euch sind, sind es auch Freunde von uns.“
„Freunde“, echote Dracon, „ist vielleicht ein klein wenig übertrieben. Bei dem ein oder anderen. Aber gute Bekannte.“ Er grinste mich zufrieden an. Ich spürte, dass ihm Armands Anwesenheit ein Dorn im Auge war, sein Handeln beschränkte. „Wenn du einverstanden bist, wäre ich dafür, ihn wieder nach Gorlem Manor zu bringen.“
Mich irritierte, dass Warren den Atem anhielt und Dracon überrascht ansah. Das war wohl nicht abgesprochen zwischen ihnen. Doch ich stimmte Dracon zu und war froh, dass er diesen Vorschlag machte. Warren gehörte zum Orden, daran hatte sich auch nach der Wandlung nichts geändert. Und nun, wo er praktisch von den Toten auferstanden war, lag es nahe, zumindest zu Franklin zu gehen und die Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Es sei denn, Warren wollte es nicht. Bevor ich dazu kam, dies in Erfahrung zu bringen, erhob Armand Einspruch.
„Denkst du, das ist so einfach?“, knurrte er Dracon an. „Der Teufel weiß, was du mit ihm gemacht hast und wie er jetzt zur Ashera steht.“
Drei Augenpaare richteten sich auf ihn mit unterschiedlichen Reaktionen.
„Es ist mir neu, dass du ein Mitspracherecht im Orden hast“, sagte Dracon. „Job gewechselt?“
„Armand!“ Ich verstand seine Reaktion nicht. „Es ist Warren.“
Warren schwieg, senkte den Blick und ich sah, wie seine Kiefermuskeln zuckten.
Armand blieb ungerührt. „Es ist über ein Jahr her. Wo war er? Was hat er getan? Ein Jahr verändert viel. Was man in diesem erlebt sogar noch mehr.“
Darauf konnte ich nichts erwidern. Sein Martyrium in der Festung ohne Wiederkehr hatte nur einige Monate gedauert, aber die Veränderungen waren gravierend. Er war nicht mehr derselbe, würde es nie wieder sein. Ich liebte ihn wie am ersten Tag, doch manchmal machte er mir Angst.
„Wir waren in Rom“, erklärte Dracon bereitwillig und sichtlich gelangweilt.
Er ließ sich von Armand nicht einschüchtern, die Spannung zwischen den beiden erschien mir stärker als je zuvor. Diesmal ging es nicht nur um mich, sondern um Warren. Wie musste sich der Ärmste fühlen? Er tat mir leid, immerhin war ich mit verantwortlich für alles, was ihm widerfahren war.
„Eine schöne Stadt“, bestätigte Armand. „Niedrige Vampirpopulation in der Nähe des Vatikans. Warum seid ihr nicht geblieben? Wieso die plötzliche Rückkehr?“
Dracons Augen wurden schmal. „Warren brauchte Zeit.“ Er warf mir einen Seitenblick zu, ehe er wieder Armand fixierte. „Damit seine Wunden heilen konnten. Alle Wunden.“
Armand hielt seinem Blick stand, verwandelte sich in einen Eisprinzen – arrogant, kühl und unnahbar. „Ich bin beeindruckt, dass du Qualitäten als Heilkundiger entwickelst. Bisher lag deine Begabung in der entgegengesetzten Richtung.“
Ich schluckte, als Dracon gönnerhaft lächelte, während in seinen Augen Mordlust blitzte. Die Luft schlug beinah Funken zwischen den beiden Männern. Das fiel auch den anderen auf, die uns umringten. Warren und ich schienen nicht mehr da.
„Man entwickelt sich weiter, Armand. Da stehen wir einander nicht nach.“
„Das erklärt noch immer nicht, was du hier zu suchen
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