Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
mehr. Thomas wusste, was er war, zweifelte auch nicht daran. Entweder band er ihn an sich oder er musste ihn töten. Letzteres war schier unvorstellbar.
„Mein Liebster“, flüsterte er.
Thomas’ Lippen bebten, doch es kam kein Laut über sie. Stevens Lächeln war kalt, inmitten all der Leidenschaft, die er für Thomas empfand, loderte die Gier nach seinem Blut doch heller – heißer. Er zögerte nicht länger, schlug ihm seine Fänge ins Fleisch und trank gierig den Saft, den er seit Wochen begehrte.
Er ließ sich das kalte Wasser über Gesicht und Brustkorb laufen. Gänsehaut bildete sich auf seinen Unterarmen und seinem Bauch. Schlechte Träume konnte man so vertreiben. Unwirkliche Empfindungen – so erschreckend wie verlockend. Aber das hier war kein Traum; darum würde er auch nicht erwachen.
Unsicher öffnete Thomas die Augen, die roten Male an seiner Kehle verblassten zusehends. Steven hatte gesagt, das sei normal. Weil er so viel Blut getrunken hatte. Blut getrunken. Für einen Moment kämpfte er mit Übelkeit. Als Arzt hatte er keine Probleme mit dem Saft des Lebens, doch er wäre nie auf die Idee kommen, ihn zu trinken. Bis heute. Die Erinnerung an den Geschmack dieses fremden Nektars, als Steven ihn in seinen Mund hatte fließen lassen, weckte augenblicklich Hunger. War das Blut eines Vampirs etwas anderes als das eines Menschen?
Vampir!
Thomas keuchte und rieb sich mit zittriger Hand übers Gesicht. Es gab Vampire, und sein Lover war einer von ihnen.
In seinem Bauch keimte ein hysterisches Lachen, das er mühsam unterdrückte. Natürlich kannte er Dracula und hatte Blade gesehen – beides immer für reine Fiktion gehalten. Das hier war etwas anderes. Man merkte es Steven nicht an. Was Thomas an Ammenmärchen über Wesen wie ihn gehört hatte, traf nicht zu. Steven trug ab und zu ein Edelstahlkreuz an einem Lederband. Sie hatten Zaziki zusammen gegessen, Whiskey getrunken. Er rauchte zwei Schachteln Zigaretten während einer Schicht. Und seine Haut war warm.
Ein Schauder ging durch seinen Körper, und er schob den Gedanken, woran das lag, weit von sich. Sein Leben wurde gerade auf den Kopf gestellt, alles, was er je über Anatomie und Evolution, über Medizin und Biologie gelernt hatte.
Schwebte er in Gefahr? Jetzt wohl weniger als zuvor. Was sollte er tun? Sich trennen? Er ertrug den Gedanken nicht, ohne Steven zu sein, egal, was für ein Wesen er war.
Als Thomas wieder aus dem Bad kam, saß Steven in dem braunen Ledersessel am Fenster und blickte hinaus. Er war immer noch nackt und das Zwielicht des herandämmernden Morgens tauchte ihn in ein solch verführerisches Licht, dass ihm der Atem stockte. Für einen Moment ließ sein Anblick Thomas erstarren, weil ihm die Überirdischkeit seines Geliebten erstmals bewusst wurde. Kein Mensch konnte so schön sein, konnte dieses innere Leuchten haben. Es hätte ihm früher auffallen müssen.
Träge drehte Steven den Kopf in seine Richtung und blickte ihn mit einem unergründlichen Flackern in den Augen an.
„Das ist das Blut. Es verändert deine Sinne“, sagte er. Sogar seine Stimme besaß einen Klang, der jede Zelle in ihm in Schwingung versetzte.
Thomas schluckte, blieb unsicher stehen, spürte, wie ihm die Hände feucht wurden, weil er plötzlich nicht mehr sicher war, was Steven jetzt mit ihm machen würde. Er kannte ein Geheimnis, das der Vampir hütete wie ein kostbares Juwel. Konnte er wirklich davon ausgehen, dass er ihn als Mitwisser weiterleben ließ? Ihm wurde kalt, er fror entsetzlich, obwohl die Wohnung noch aufgeheizt von ihrer Liebesnacht war.
Steven beugte sich betont langsam vor und blickte ihn ohne erkennbare Regung an. „Wenn du ein Wort davon irgendwo erzählst, töte ich dich auf der Stelle, hast du mich verstanden?“
Es klang gar nicht bedrohlich. Ein harter Kontrast zu den Worten selbst. Thomas war klar, dass Steven es ernstmeinte. Unwillkürlich fasste er sich an die Kehle, wo nur noch zwei kleine rote Punkte von den Bisswunden erzählten.
„Du hast es gekostet. Und ich weiß, du willst es wieder haben. Ich werde es dir geben, so oft du willst. Aber du musst schweigen.“
Thomas schaute Steven eine Weile stumm an, weil sein Verstand keine Worte fand und seine Zunge ihm trocken am Gaumen klebte, sodass er ohnehin nicht sprechen konnte. Doch dann grinste Steven plötzlich breit, das Beängstigende an ihm verschwand und es schien, als sei nichts gewesen.
„Ich vertraue dir, sonst würde ich dich nicht gehen
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