Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
seine Leute anzuführen und Entscheidungen zu treffen. In den letzten Wochen war ihm das aus der Hand genommen worden. Damit sollte Schluss sein. Ich konnte ihn verstehen, weshalb ich nicht versuchte, es ihm auszureden, obwohl seine Gefährtin Lysandra und Anelu sich sorgten und nicht glücklich über seinen Entschluss waren.
In der folgenden Nacht wartete er mit den Lycanern, die ihm loyal zur Seite standen, und uns im Mutterhaus auf Aliya. Ich hatte die Lupin mit gemischten Gefühlen ziehen lassen, als sie sagte, sie habe noch etwas zu erledigen. Immerhin bestand noch die Gefahr, dass sie doch für Domeniko als Spitzel arbeitete. Aber Steven und Thomas vertrauten ihr und der Zuspruch der beiden genügte mir.
Kurz vor Mitternacht kam Aliya zurück. Ihr Auftauchen alarmierte mich, denn sie war nicht allein. Geschätzte dreißig bis vierzig Lupins und zwei Dutzend Mothas strichen durch den Garten von Gorlem Manor. Wie Schatten huschten sie um die Eichen, näherten sich, wichen wieder zurück, zogen den Kreis immer enger. Es sah aus, als wollten sie das Mutterhaus einnehmen, doch keiner von ihnen verhielt sich aggressiv. Aliya trat aus der Gruppe hervor.
„Das sind Mitglieder meiner Lupin-Familie, die hier auf der Insel sind. Und die Mothas, die mit den Rudeln in der Nähe der Friedhöfe leben. Sie sind meinem Ruf gefolgt. Wir sind bereit, dich zu begleiten und für dich zu kämpfen.“
Ich war sprachlos. Vor wenigen Tagen hatten uns Lupins angegriffen und jetzt standen sie auf unserer Seite. Ein Trick? Aber ich fand keinen Anhaltspunkt. Aliya war fest entschlossen – getrieben von Rache für das, was Domeniko ihr und anderen ihrer Art angetan hatte.
Sie führte uns aus London hinaus und eine ganze Weile über Land bis zu einem abgelegenen alten Herrenhaus. Weit genug von London entfernt, um uns nicht aufzufallen, selbst wenn wir unsere geistigen Fühler nach Domeniko ausgestreckt hätten. Es lag auf Privatgelände, in der Nähe eines Moores und umarmt von den Ausläufern eines Waldes. Die perfekte Tarnung.
Aliya schlug einen Bogen und näherte sich dem vierstöckigen Gebäude von der Rückseite. Ich sah von oben etwas zwischen den Bäumen hindurchschimmern, was mir verdächtig vorkam und gab Armand ein Zeichen, dass ich nachsehen wollte. Tatsächlich fand ich eine Steinformation, die in sich ein Dolmentor verbarg. Seine Schwingung war so stark, dass ich nicht erst Blue fragen musste, um zu erkennen, dieses Tor war in der letzten Zeit stark frequentiert worden. Warum war den Wächtern das nicht aufgefallen? Gab es noch jemanden aus Blues Familie, der mit Domeniko sympathisierte? Aber das hätte Nasri sicher gewusst, oder nicht?
„Was denkst du?“ Armand spürte wie ich, was mit dem Tor los war.
„Ich weiß es nicht. Vielleicht hat Blue eine Erklärung.“
Zwischen den Bäumen vor uns leuchteten gelbe Augen auf, gleich darauf schälte sich die Gestalt einer Lupin hervor. Ich spannte mich an, falls es sich bei dem Tier um eine von Domenikos Untergebenen handelte, doch die Fähe gehörte zu Aliya.
„Im Haus brennt Licht und man hört Stimmen. Er ist noch da. Achtet auf die Gefs, sie könnten ihn warnen.“
Sie trottete davon und wir folgten ihr wachsam. Tatsächlich huschten an den Bäumen nahe des Landsitzes Wiesel wie Eichhörnchen hinauf und hinab. Es wuselte im Wein, dessen kahle Ranken an den Mauern emporkrochen und überall glühten rote Äuglein, die wie Radarstrahlen die Umgebung überwachten.
„An denen vorbeizukommen ist eine Herausforderung.“
„Überlass sie uns“, sagte Eloin. Die Kälte in seiner Stimme passte nicht zu ihm. „Wir und die Lupin fallen am wenigsten auf.“
Ich wollte ihm gerade recht geben, als sich Rugo einmischte.
„Irrtum. Spar deine Kräfte für den echten Feind. Für Ratten sind wir zuständig.“
Der Bajang verwandelte sich in seine Marderform und stieß einen hohen Ton aus. Im Handumdrehen wimmelte es zu unseren Füßen von Bajangs aus dem ehemaligen PU, die zu Alwynns und Rugos Freunden gehörten. Abgesehen von ein paar Zentimetern mehr Körpergröße konnte man sie kaum von den Gefs unterscheiden. Ich blickte ihm grinsend hinterher und klopfte Eloin tröstend auf die Schulter.
„Du kommst noch dazu, deine Krallen zu zeigen. Lass ihm den Spaß.“
Eloin verzog das Gesicht, blieb aber bei uns und sah zu, wie die Bajangs im Zickzack – getarnt unter der Schneedecke – auf ihre ahnungslosen Verwandten zustrebten, es in kurzen Abständen an der Wand oder im
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