Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
zwei Männer verloren, die sie liebt. Ich weiß nicht, ob ich das an ihrer Stelle verkraften könnte.“
„Sie ist stark. Und sie weiß, was auf dem Spiel steht.“
Eloin holte tief Luft und sah sich um. Steven und Thomas legten immer noch Verbände an. Saphyro und seine Kinder hatten in einer Ecke einen Kreis um ihre Gefallenen gebildet. Auch Ramael war darunter. Eloin musste schlucken. Die beiden hatten ihm das Leben gerettet, und jetzt war der junge Vampir tot. Wobei jung relativ war und sich nur auf sein Äußeres bezog.
Die schwarzen Augen des dunklen Prinzen begegneten seinen. Die Trauer darin ließ Eloin sich abwenden, weil er es nicht ertrug. Niemand machte ihm einen Vorwurf, trotzdem fühlte es sich an, als ob er jeden Einzelnen auf dem Gewissen hätte.
Anelu kam mit ernstem Gesicht zu ihm. Seine Hand war bandagiert, der Kratzer auf seinem Rücken zum Glück nur oberflächlich.
„Du solltest deine Schulter verbinden lassen“, bat er Eloin. „Steven versorgt die tiefen Wunden mit seinem Blut. Es hilft auch bei uns Lycanern.“
Eloin blickte auf seine Schulter, als wäre ihm erst jetzt bewusst geworden, dass er ebenfalls etwas abbekommen hatte. Während des Kampfes fehlte die Zeit, sich auf den Schmerz zu konzentrieren. Das Adrenalin schaltete ihn aus. Er bewegte probehalber seine Finger.
„Es ist nicht so schlimm. Ich spüre es kaum.“
Anelu bestand dennoch darauf, dass er einen der Ärzte danach sehen ließ.
„Du brauchst den Arm in der nächsten Schlacht. Domeniko wird jede Schwäche ausnutzen, man muss es ihm nicht leichter machen als nötig.“
Widerstrebend ließ sich Eloin zu Steven bringen, der die Wunde mit einigen Tropfen seines Blutes behandelte. Das Prickeln fühlte sich fremd an, aber nicht unangenehm.
„Es ist nur eine Fleischwunde. Deine Selbstheilung ist fast so gut wie unsere. Mit dem bisschen Vampirblut wird sie im Lauf des Tages völlig abheilen.“
Die Vampire erhoben sich und sammelten sich in Familien, um für den Tag ihre Ruhequartiere aufzusuchen. Saphyro trug Ramael auf seinen Armen wie ein Kind.
Steven sah man an, dass er Thomas nur ungern zurückließ, weil ein Mensch so viel verletzlicher war, doch der sterbliche Arzt weigerte sich, seine Patienten im Stich zu lassen. Er gab sich optimistisch und versprach, sich in ein Versteck zurückzuziehen, wenn es zum Angriff kommen sollte.
Franklin hingegen war nirgends zu sehen. Er musste mit Lucien gegangen sein. Eloin wollte es ihm nicht vorwerfen, die Wunde an seinem Kopf hatte übel ausgesehen. Vielleicht war er so bis zum Einbruch der Nacht wieder kampffähig.
Die Fackeln wurden gelöscht, und als Eloin zum Horizont blickte, zeigte sich bereits die Morgendämmerung. Eine vage Unruhe befiel ihn. Gefahr lag in der Luft, er täuschte sich nicht.
Unten im Garten gerieten die Lupins in Aufregung, was Eloin sofort alarmierte. Anelu folgte ihm, während er an den Rand der Ruine schritt und mit zusammengekniffenen Augen hinausstarrte. Außer dem Knistern der verlöschenden Glut, dem kalten Wind und den Lupins war nichts zu hören. Oder doch?
Unterschwellig glaubte er, ein dumpfes Pochen zu vernehmen. Er sprang nach unten, legte die Hand auf den Boden. Ja, er vibrierte. Sogar die Schneekristalle fingen die Schwingungen auf. Sein Herz begann zu rasen.
„Sie greifen wieder an“, rief er zu den anderen hinauf.“
Sofort waren alle auf den Beinen. Keine Sekunde zu früh, denn aus allen Richtungen tauchten schwarze Schemen in der Dämmerung auf. Lycaner! Und hinter ihnen – Schreckgespenster aus düsteren Albträumen – die Waheelas.
Die Lupins formierten sich in einer Reihe an vorderster Front. Mit ihrer Wendigkeit konnten sie geschickt ausweichen, boten den anderen aber einen Schutzwall und bessere Verteidigungschancen. Trotzdem war Eloin klar, dass ihre Chancen ohne die Vampire schlecht standen und dass genau darin die Absicht seines Widersachers lag. Er führte sie in eine Niederlage – in den Tod. Doch Eloin blieb keine Wahl.
Die Geisterwölfe fielen über sie her wie eine biblische Plage. Selbst wenn sie zu dritt oder viert gegen sie vorgingen, konnten sie ihnen nur wenig entgegensetzen.
Eloin blieb keine Zeit, sich Gedanken zu machen oder Sorgen wegen der Menschen, die an ihrer Seite fochten. Die getreuen Lycaner kämpften erbittert mit der Kraft der Verzweiflung, taten ihr Möglichstes, die Schwächeren ihrer Verbündeten zu schützen. Trotzdem musste er immer wieder über menschliche Leichen hinwegspringen.
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