Ruf Des Dschungels
unbeschreibliches Glücksgefühl erfasste mich, als ich mich umsah, nach oben, nach unten, rechts und links.
In diesem Moment vergaß ich alles, die Vergangenheit, die Zukunft – ich verlor mich völlig in diesem Augenblick, den ich am liebsten für immer festgehalten hätte. Plötzlich war nichts anderes mehr wichtig. Wenn mich in diesem Moment jemand gefragt hätte, ob ich glücklich bin, so hätte ich geantwortet: »Ich bin der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt.«
Wir liefen immer weiter, erst bergauf, dann wieder bergab, über Baumwurzeln, die sich in den Erdboden hinein- und dann wieder herauswanden wie große weiße Schlangen. Die Erde war mit Laub in allen erdenklichen Farben bedeckt. Die kleineren Sträucher und Büsche im Unterholz reckten sich in dem Versuch, wenigstens ein paar der spärlichen Sonnenstrahlen einzufangen – wie ein Baldachin schwebten über uns die mächtigen Äste der Bäume, die das Licht gierig aufnahmen. Dicke braune Kletterpflanzen schlangen sich von Baum zu Baum, von Ast zu Ast und webten riesige Netze, die auf halber Höhe hingen. Das tanzende Wechselspiel von Licht und Schatten hinter jeder Kurve, um die wir bogen, schaffte eine vollkommen mystische Atmosphäre.
Netzwerke inmitten des Dschungels
Je weiter wir gingen, desto mehr nahm mich dieses beeindruckende Naturschauspiel gefangen. Als ich plötzlich über eine Baumwurzel stolperte, fing Fusai mich auf und ermahnte mich, besser auf meine Schritte zu achten. Doch wie sollte ich den Blick auf den Boden gerichtet lassen, wenn es um mich herum so viel zu sehen gab?
Ich entdeckte einen überaus seltsamen Pilz und beugte mich darüber, um ihn zu fotografieren, dann einen weiteren, und dort eine faszinierende orangefarbene Spinne, und hier, unter jenem Strauch, eine wunderschöne Blume, versteckt zwischen den Blättern. Die Zeit verging wie im Flug, ohne dass ich es merkte. Die Sonne wanderte immer weiter über den Himmel, doch ich achtete nicht weiter darauf. Ich ging um einen Baum herum und hielt den Atem an: Tausende winziger weißer Blüten bedeckten den Boden, eine Welt voller Magie, so klein und doch so groß. Es kam mir vor, als schwirrten lauter tanzende Elfen mit farbenprächtigen Flügeln von einer Blüte zur nächsten. Wie können Menschen nur behaupten, die Welt sei nicht voller Zauber?
In der Nähe eines hohen Baumes bewunderte ich eine Pflanze mit dunkelblauen Knospen, von denen jede einzelne nur darauf wartete, sich endlich zu entfalten und zu voller Blüte zu explodieren. Ich wollte mich gerade zu ihr hinunterbeugen, um sie zu fotografieren, als Aron, der nun hinten ging, mich mit einem lauten Ruf zur Eile antrieb. Er sprang hektisch hin und her, und ich drehte mich ein wenig verärgert zu ihm um, weil er mich aus meiner Versunkenheit gerissen hatte.
Als er auf meine Stiefel zeigte, blickte ich an mir herunter. Es sah aus, als seien meine Schuhe lebendig geworden. Ich schaute genauer hin, und nun stampfte auch ich wie verrückt mit den Füßen, schlug und wischte mir über die Beine und versuchte sie loszuwerden: Unzählige Blutegel saßen gierig auf meinen Füßen und Beinen und wollten ihren Durst an mir stillen, winzige hungrige Vampirmäuler, die sich nach dem Geschmack des Lebens verzehrten.
»Beweg dich weiter«, rief Aron mir zu.
Ohne mir das zweimal sagen zu lassen, rannte ich los, die anderen dicht hinter mir. Immer wieder fielen mir frische Blutstropfen auf Blättern auf, bis ich sah, dass der junge Fayu vor mir mehrere blutende Wunden an den Beinen und Füßen hatte – von Blutegeln, die er mit Gewalt entfernt hatte. Was mir noch vor wenigen Minuten wie das Paradies vorkam, hatte sich binnen Sekunden in einen Alptraum voller Würmer verwandelt.
Nach wenigen Minuten hatten wir die Weide der Blutsauger hinter uns gebracht. Da fiel mir auf, dass mehrere Fayu-Jäger unseren Trupp verlassen hatten, jetzt waren nur noch zwei von ihnen bei uns. Als ich Aron danach fragte, erklärte er mir, dass sie vorausgegangen waren, weil wir zu viel Lärm machten und ihre ganze Beute verscheuchten.
Die Zeit verging und mit ihr schwand meine anfängliche Begeisterung allmählich etwas. Mein untrainierter Körper zeigte die ersten Anzeichen von Müdigkeit, mein Gesicht und die Hände waren schweißbedeckt, meine Kleider wurden feucht und klebten mir am Körper. Doch für den Moment gelang es mir in meiner Hochstimmung noch, die aufkommende Erschöpfung zu besiegen.
Endlich erreichten wir ein flacheres
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