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Ruf Des Dschungels

Ruf Des Dschungels

Titel: Ruf Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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ich einen Hut aufgesetzt und mir ein Tuch um den Hals gewickelt. Schließlich ist nichts unangenehmer, als ständig Spinnen aus dem Hemdkragen fischen zu müssen. Die Tiere ließen sich einfach an ihrem Faden aus den Bäumen herunter, und ehe man sich’s versah, hatten sie einen ins Genick gebissen.
    Nach etwa einer halben Stunde steuerte Aron das Boot auf das Ufer zu und drosselte den Motor. Die Uferböschung ging direkt in einen Hügel über, auf dessen Kuppe eine Fayu-Hütte stand.
    Wir bahnten uns über den Uferdamm einen Weg den Hügel hinauf, wo uns mehrere Männer erwarteten, um uns zu begrüßen. Papa nahm einen von ihnen zur Seite.
    »Sabine«, sagte er, »erkennst du diesen jungen Mann hier?«
    »Nein, leider nicht«, antwortete ich.
    »Das ist Isore, der Sohn von Häuptling Baou«, sagte Papa.
    »Isore!«, rief ich und ging zu ihm hinüber, um meine Stirn an seiner zu reiben. Wie sehr er sich verändert hatte, wie erwachsen er aussah! Ich konnte mich noch genau erinnern, wie er uns 1980 , kurz nach unserer Ankunft im Dschungel, ein Stück Krokodilfleisch gestohlen hatte. Doch statt Rache zu üben, wie es ihm nach Fayu-Tradition zugestanden hätte, ging Papa damals zu ihm hinüber, rieb seine Stirn an der des Jungen und gab dem kleinen Isore ein weiteres Stück Fleisch. Auf diese Art zeigte er ihm, dass wir nicht böse waren. Papas Tat machte großen Eindruck auf den gefährlichen Häuptling Baou, der später zum wichtigsten Fürsprecher des Friedens unter den verfeindeten Stämmen werden sollte.
    Nachdem die allgemeine Aufregung sich ein wenig gelegt hatte, versammelte Papa alle Anwesenden für ein Gruppenfoto: Dingos, Fayu-Jäger, Fusai, Aron und mich.
    Die Jäger übernahmen die Führung der Gruppe, und wir stellten uns in einer Reihe auf.
    Gerade als wir losgehen wollten, stimmte Papa unvermittelt ein Klagelied an: »Ooohhh, meine Tochter Sabine, ooohhh, sie verlässt mich, ooooh, meine Tochter geht in den Dschungel und stellt sich den Gefahren«, klagte er in seiner besten Fayu-Singstimme.
    Große Besorgnis machte sich unter den Fayu breit, und sie eilten zu ihm hinüber und umarmten ihn, um ihn zu trösten. Sie versicherten ihm, dass sie besonders gut auf mich aufpassen und mich vor Sonnenuntergang zurückbringen würden.
    Ich musste laut loslachen. Es war wieder mal typisch für Papa, dass er die Sitte der Fayu übernommen hatte und um ein Kind weinte, das sich auf eine Reise begab.
    Vor dem Aufbruch zu Bisa und Beisa
    Er hatte mir einmal erzählt, dass vor ein paar Jahren einige junge Männer ausgewählt worden waren, um nach Jayapura zur Schule zu gehen. Sie sollten lernen, wie sie ihr Land und ihre Kultur dauerhaft erhalten konnten. Unter ihnen war damals auch Tuare. Als die Jungen in das kleine Flugzeug einsteigen wollten, stimmten Kloru und seine Frau Klagelieder an und fingen an zu weinen. Tränen rannen ihnen über die Wangen, und sie schrien ihren Schmerz und ihre Sorgen heraus. Papa hatte schreckliches Mitleid mit ihnen und bot ihnen an, Tuare zu Hause zu lassen. Doch da nahm Kloru ihn beiseite und flüsterte: »Nein, nein, Klausu, bitte nimm ihn mit. Wir sind sogar froh, dass er geht.«
    Anschließend erklärte er Papa, dass es bei ihnen Sitte und sogar die Pflicht der Eltern sei, um ein abreisendes Kind zu weinen. Und siehe da, kaum hatte sich die Maschine in die Luft erhoben, hörten Kloru und seine Frau von einem Moment auf den anderen auf zu klagen und winkten freudig strahlend hinter dem Flugzeug her.
    Und nun stand hier mein Vater und sang lauthals Lieder, weil seine Tochter ihn verließ, wenn auch nur für ein paar Stunden. Nachdem er genügend getröstet worden war, fing er plötzlich an zu lachen und bedeutete uns mit einem Winken, uns endlich auf den Weg zu machen. Kurz darauf hatten wir wieder eine Reihe gebildet, und der Ausflug konnte beginnen.
    Aron ging mit zwei jungen Männern vom Stamm der Tigre voraus, dahinter folgten ich und dann Fusai. Ich hatte meinen Fotoapparat und die Videokamera dabei. Eine weitere Tasche, in der ich ein Seil und mehrere Taschenlampen verstaut hatte, trug einer der jungen Männer für mich.
    Als ich den ersten Schritt in den kühlen, dichten Regenwald setzte, war ich überwältigt angesichts der großartigen Szenerie, die sich vor mir ausbreitete. Die Temperatur fiel, der Geruch nach modrigem Sumpf und süßen Blumen erfüllte die Luft. Die Sonne wurde von den riesigen Bäumen, die über uns aufragten, fast komplett abgehalten. Ein

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