Ruf Des Dschungels
bis auf die Grundmauern niedergebrannt, und selbst das Boot, mit dem sie hergefahren waren, ging in Flammen auf. Die Polizisten brachten das Paar nach Manokwari, wo sie die Frau freiließen, Enus jedoch in Gewahrsam nahmen.
Eine ganze Woche lang folterten sie den Mann, um von ihm die Information zu erpressen, wo er die Gewehre versteckt habe. Doch da er unschuldig war, konnte er ihnen natürlich nichts sagen. Eines Morgens stellten die Polizisten fest, dass er sich nicht mehr bewegte. Sie schütteten ihm einen Eimer kaltes Wasser über, um ihn aufzuwecken. Als sie merkten, dass er tot war, zogen sie ihm frische Kleider, Schuhe und Strümpfe an, wischten das Blut ab und brachten ihn ins Krankenhaus.
Später stand in den Zeitungen, dass er dort erst gestorben sei, doch das Klinikpersonal sagte, er sei bei seiner Einlieferung längst tot gewesen. Die Krankenschwester, die ihn untersucht hatte, berichtete von Verstümmelungen am ganzen Körper.
Die Polizei kehrte zurück und steckte die Leiche in einen Sack. Diesen brachten sie in sein Haus in Wasior und bewachten ihn, damit niemand ihn öffnete und merkte, was sie angerichtet hatten. Sie blieben bis zur Beerdigung. Danach bedrohten und terrorisierten sie seine Frau so lange, bis sie untertauchte. Sie hält sich bis zum heutigen Tage versteckt, verängstigt, traumatisiert und für immer gezeichnet.
Während der ersten drei Monate in Gefangenschaft hatte man Herman, abgesehen von dem Vorfall im Jeep in der Nacht seiner Verhaftung, nicht gefoltert. Das änderte sich mit dem Tag, an dem seine Vernehmung begann. Einen nach dem anderen brachten sie die papuanischen Gefangenen in einen winzigen Raum, in dem lediglich ein Holztisch und einige Stühle standen. Sie alle wurden beschuldigt, an der Ermordung der Polizisten und dem Diebstahl von Waffen beteiligt gewesen zu sein.
Auf dem Tisch lag ein bereits vorformuliertes Schuldeingeständnis, und sie befahlen den Gefangenen, es zu unterschreiben. Jedes Mal, wenn die Männer sich weigerten, schlugen die Polizisten ihnen die Tischbeine auf die bloßen Füße. Sie wurden getreten und anderweitig gefoltert, und erst als ihnen klar wurde, dass man sie töten würde, fügten sie sich und unterschrieben.
Nachdem die Schuldeingeständnisse unterzeichnet waren, brachte man die Männer in ein größeres Gefängnis, wo sie weitere drei Monate eingesperrt blieben, bis auch die neuen Wunden verheilt waren. Während all dieser Wochen wurde kein Anwalt, kein Helfer oder sonst ein Außenstehender zu den Inhaftierten vorgelassen.
Als der Gerichtsprozess gegen Herman begann, hatte Amnesty International von dem Fall erfahren und wollte einschreiten. Der Richter fragte Herman, warum er das Schuldeingeständnis unterschrieben habe, und dieser erzählte, was im Gefängnis vorgefallen war. Daraufhin meinte der Richter, er müsse die Angelegenheit weiter untersuchen. Die Verhandlung wurde vertagt.
Herman wurde zurück ins Gefängnis gebracht und wartete auf die Fortsetzung seines Prozesses.
Währenddessen setzte die Polizei ihre so genannte »Fahndungsaktion« fort und griff wahllos Papua auf offener Straße auf oder verschleppte sie aus ihren Häusern. Manche erschossen sie noch an Ort und Stelle, dann wieder trieben sie die Männer wie Vieh zusammen und nahmen sie fest. Einige brachten sie vor Gericht, andere wurden ohne Prozess freigelassen, sobald die Wunden von den Folterungen verheilt waren. Viele verschwanden einfach spurlos und waren nie mehr gesehen.
Zu dieser Zeit gerieten die drei papuanischen Männer in Streit. Einer von ihnen, dem bewusst geworden war, was sie mit ihrer Aktion ausgelöst hatten, wollte die gestohlenen Waffen zurückbringen, die anderen beiden weigerten sich. Ohne seinen Kumpanen etwas zu sagen, brachte der Mann daraufhin die Waffen heimlich zurück. Er wurde auf Anhieb von der BRIMOB erschossen.
Kurz darauf lieferten sich die beiden verbliebenen Männer einen Kampf. Manche behaupten, es sei dabei um die restlichen Waffen gegangen, andere sagen, eine Frau sei der Grund gewesen. Jedenfalls schossen sie aufeinander und erlagen schließlich beide ihren Verletzungen. Niemand weiß bis heute genau, welche Ziele diese Männer eigentlich verfolgten. Die einzige Erklärung, die ich je erhalten habe, besagt, sie seien Abtrünnige des Widerstands gewesen, die beschlossen hatten, das Gesetz selbst in die Hand zu nehmen und zurückzuschlagen.
Als sich die Lage gegen Ende des Jahres schließlich beruhigte,
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