Ruf Des Dschungels
Pfau, damit ihn alle bewundern konnten.
Die Fayu haben eine ganz eigene Art, mit neuen Dingen umzugehen: Sie geben tagelang damit an und schlendern mit hoch erhobenem Kopf umher, damit sie auch wirklich jeder bewundert. Ein Sprichwort bei ihnen sagt: »Wenn du dein neues Geschenk nicht mit großem Stolz zeigst, dann hat es für dich keinen Wert, und jeder hat das Recht, es dir wegzunehmen.«
Ich griff nach meinem Rucksack und ließ ein letztes Mal den Blick durch den kleinen Raum schweifen, der in den letzten beiden Wochen mein Zuhause gewesen war. Der wackelige Holztisch mit den beiden Stühlen, das Moskitonetz über dem aus Holzbrettern zusammengezimmerten Bett, das Fenster mit Blick auf das Schulgebäude und die unzähligen Kakerlaken auf dem Boden. In den ersten Tagen hatte ich zumindest diejenigen, die schon tot waren, noch fleißig vom Boden aufgesammelt, doch bald war es mir zu viel geworden, und ich hatte sie nur noch zur Seite oder unter das Bett geschoben. Ich verabscheute die Kakerlaken zwar noch immer, aber gewöhnt hatte ich mich längst an sie wie an so viele andere kleine Unannehmlichkeiten, und inzwischen störten sie mich gar nicht mehr.
Mein Abschiedsfrühstück auf der Veranda
Ich schob die Eingangstür auf und ging auf eine letzte Tasse Instantkaffee zu Papas Haus hinüber. Die Kekse waren uns vor ein paar Tagen ausgegangen, daher hatte ich mir angewöhnt, stattdessen Kwas zum Frühstück zu essen.
Papa war mit dem Packen fast fertig und rief einige junge Männer herbei, die das Gepäck hinunter zum Fluss bringen sollten. Wir würden mit dem Boot nach Quisa fahren, wo uns dann ein Flugzeug abholen würde.
Die Stimmung war gedrückt, und die allgemeine Traurigkeit spiegelte sich auf den Gesichtern der Fayu wider. Ich holte mir meinen Kaffee und setzte mich zu einem letzten Brotfrucht-Frühstück zu Fusai und Akaba. Während der Mahlzeit sprachen wir kaum ein Wort, Sophia-Bosa klammerte sich an meinen Arm, der Sohn von Häuptling Kologwoi flehte seine Mutter an, mich begleiten zu dürfen. Schließlich rief Papa, wir müssten jetzt los.
Alle kamen mit zum Fluss, um sich zu verabschieden. Ich spürte, wie die Dschungelbrücke unter dem Gewicht der vielen Menschen schwankte. Nachdem ich mittlerweile perfekt über die dünnen Bretter balancieren konnte, bewunderte ich noch einmal die Schönheit des Sumpfes unter mir, die vielen bunten Insekten, die von Pflanze zu Pflanze schwirrten, und das unendliche Dickicht, zu dem sich all die Bäume formten.
Ich hasse Abschiede, verdränge am liebsten alle Trauer, bis mein Kopf völlig leer ist. Und so war es auch an diesem Tag: Ich war innerlich total leer.
Als das Gepäck im Boot verstaut war, begann der Streit darum, wer mitkommen durfte. Die kleine Sophia-Bosa erkämpfte sich einen Platz bei uns im Boot, wurde jedoch sofort wieder hinausgestoßen. Da begann sie zum ersten Mal zu weinen, bittere Tränen strömten ihr über die Wangen. Ich stand auf, zog sie wieder hinein und drückte andere zur Seite, damit sie neben mir sitzen konnte.
Schweigend fuhren wir wenig später flussaufwärts, vorbei an all den Stellen, die mir in den letzten Wochen so vertraut geworden waren. Der Wind umwehte mich, am blauen Himmel waren nur wenige Wolken zu sehen, die Sonne schien kraftvoll auf uns herab. Wie friedlich hier alles war, wie harmonisch und schön.
Bei unserer Ankunft in Quisa suchten wir uns einen Platz im Schatten, um auf das Flugzeug zu warten. Der Pilot hatte gesagt, er werde irgendwann am Nachmittag kommen. Das konnte um ein Uhr sein, aber auch um fünf. Also warteten wir, dösten im Schatten, zählten weder Minuten noch Stunden.
Am späten Nachmittag hörten wir aus der Ferne endlich das leise Dröhnen des Flugzeugs. Mit einem Mal wurden alle wieder lebendig und beeilten sich, das Gepäck zur Landebahn zu schaffen. Das Motorengeräusch wurde lauter, und schließlich konnte ich, die Augen gegen die Sonne abgeschirmt, den glänzenden Punkt am blauen Himmel erkennen. Mit leichter Hand manövrierte der Pilot das Flugzeug in die richtige Position und landete auf der holperigen Piste. Wir mussten uns mit dem Einladen beeilen, denn er hatte noch einen Zwischenstopp geplant, bevor es weiter nach Jayapura ging.
Als alles verstaut war, ging es ans Abschiednehmen. Ich verbarg mein schweres Herz hinter einem Lächeln, rieb Stirnen und umarmte die Frauen und Kinder, die uns begleitet hatten. Schließlich war alles gesagt und getan, und wir stiegen in das kleine
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