Ruf Des Dschungels
Häuptlings oder Stammesführers bei sich trug, in dem bestätigt wurde, dass die jeweilige Person vertrauenswürdig war. Diese Maßnahme war notwendig geworden, da die indonesischen Sicherheitskräfte mehr und mehr Einheimische bestachen, damit sie ihre eigenen Landsleute ausspionierten. Dennoch nahm Thelis sie als seine Gäste auf, wie es der papuanischen Kultur entspricht.
Nachdem mehrere Wochen verstrichen waren und der Anwalt das Empfehlungsschreiben mehrfach vergeblich eingefordert hatte, erklärte er den drei Männern, sie müssten den Stammesgesetzen Folge leisten. Sie würden in ein Dorf im Hochland geschickt, um dort den mächtigen Häuptling von Wasior zu treffen. Dieser werde dann ihre Loyalität und Redlichkeit auf die Probe stellen und endgültig festlegen, ob sie bleiben dürften oder nicht.
Doch wie das Schicksal manchmal so spielt, erreichte diese Information Häuptling Noak nicht. In dem Glauben, Thelis habe den drei Männern längst seinen Segen gegeben, nahm er sie auf wie seinesgleichen. Und da er mit dringenderen Angelegenheiten beschäftigt war – unter den Dorfbewohnern keimten gerade schwere Unruhen auf –, gerieten die drei Männer mit ihren Waffen schnell in Vergessenheit.
Etwa zur selben Zeit entwickelte sich eine andere Geschichte. In der Küstenstadt Wasior lebte ein Papua namens Herman [5] , ein guter Freund von Thelis. Er war Staatsbeamter und arbeitete für die örtliche Kulturbehörde mit Hauptsitz in Manokwari.
Eines Tages beorderte ihn das Militär zu einer Befragung und verlangte von ihm, die Ankunft der drei bewaffneten Papua in der Stadt zu bestätigen. Herman wunderte sich, dass sie ihn eigens deshalb herbeigerufen hatten. Auch fragte er sich, wieso die Männer nicht verhaftet worden waren, da es sich bei den Waffen um Kriegsmaterial handelte.
Im Anschluss an die Befragung unterrichtete er sofort Thelis, doch die drei Männer waren schon auf dem Weg zum Dorf von Häuptling Noak. So vergaß man auch diesen Vorfall bald.
Währenddessen entbrannte im Dorf des Häuptlings Noak ein heftiger Streit unter den Bewohnern. Der Grund dafür war, dass sie im Jahr 1997 die Abholzungsrechte für ihr Gebiet an die indonesische Polizei verkauft hatten und ihnen dafür Entschädigungen versprochen wurden, die sie nie erhalten hatten. Nach mehreren erfolglosen offiziellen Beschwerden und nachdem die Polizei als Reaktion auf diese Beschwerden eine Spezialeinheit namens Mobile Brigade ( BRIMOB ) entsandt hatte, die sechs Monate lang das gesamte Dorf terrorisierte, beschlossen die Dorfbewohner, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen.
Eines Tages versperrten sie die Straße zum Holzschlaggebiet und behinderten so die täglichen Arbeiten. Als die Polizei merkte, dass ihre Einschüchterungsaktionen ohne Erfolg blieben, stachelte sie die Holzfäller auf, stattete die Männer mit Gewehren aus und befahl ihnen, die Straßensperren niederzureißen und den Normalzustand wiederherzustellen.
Man stelle sich die Szene bildlich vor: eine schmutzige Straße, die einen Hügel hinaufführt, eine Gruppe von Dorfbewohnern, die Straßensperren errichtet haben, und die Holzfäller, die mit Gewehren auf die Protestierenden zielen. Genau diese Szene bot sich den drei Papua dar, die inzwischen im Dorf wohnten und sich die Protestaktion aus der Nähe ansehen wollten. Sie zogen ihre Waffen, schossen auf die Holzfäller und verwundeten mehrere Männer tödlich. Die Dorfbewohner flohen voller Entsetzen, und ein wilder Kampf zwischen den bewaffneten Gruppen begann.
Nicht weit entfernt in ihrem Quartier hörte die BRIMOB Schüsse, woraufhin – etwa eine Stunde später – drei Leute mit einem Fahrer losgeschickt wurden, um die Lage zu überprüfen.
Die drei Papua eröffneten das Feuer auf die sich nähernden Männer und töteten zwei von ihnen. Der dritte konnte mit dem Fahrer flüchten und eilte zurück, um dem Kommandanten Bericht zu erstatten. Noch am selben Abend wurden einhundert Polizisten als Verstärkung in die Gegend eingeflogen.
Und somit begann eine grausame Menschenjagd, die ein volles Jahr andauern sollte und bei der zahllose unschuldige Bürger Papuas verschleppt und getötet wurden.
Die BRIMOB verwüstete auf der Suche nach den Männern, die ihre Kameraden umgebracht hatten, ein Dorf nach dem anderen. Sie brannten Häuser nieder und bedrohten die Einwohner, woraufhin Hunderte Menschen in den angrenzenden Bergen Zuflucht suchten. Unter jenen, die sich in dem rauen Gelände
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