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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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verbunden. Vermutlich können Sie, Sir, mir nicht noch heute einen Scheck ausstellen   …?» Unüberhörbar war der drohende Unterton in seiner Stimme.
    «Das sollte gehen», antwortete ich und wich seinem provozierenden Blick aus. «Wenn Sie um drei Uhr zurückkommen könnten   … Ich werde unterwegs sein, aber der Scheck wird für Sie bereitliegen.»
    «Danke nochmals, Sir. Sie werden es nicht bereuen, da bin ich mir sicher. Sie brauchen nicht zu klingeln, ich finde alleine den Weg hinaus.»
     
    ∗∗∗
     
    Meine geistige Verfassung bei der gerichtlichen Untersuchung kann man sich leicht vorstellen. Ich wurde als einer der Ersten vor den Coroner gerufen – einen rotgesichtigen Gentleman aus Ipswich namens Bright – und dachte, meine Knie würden nachgeben, noch ehe ich den Schwur abgelegt hätte. Aber wie bei Roper rief mein verstörtes Aussehen eher Mitgefühl als Misstrauen hervor, und meine Aussage vor Gericht dauerte nur wenige Minuten.
    Als Nächstes kam die Frage der Identifizierung. Der verkohlte Siegelring wurde von Bolton (der gezielt meinen Blick mied) identifiziert. Er bestätigte auch, dass Magnus fünf Goldfüllungen hatte. Der angesehene Pathologe Sir Douglas Keir bestätigte anhand der größeren Knochenfragmente, dass es sich um die sterblichen Überreste eines Mannes, vermutlich recht groß und in der Blüte seiner Jahre, handelte. Mehr als das könne er allerdings nicht sagen aufgrund der übermäßigen Hitze, der die Knochen ausgesetzt waren – eine Temperatur,die ausreichte, um Fleisch und Gewebe in feine Asche zu verwandeln. Die Frage zu beantworten, ob ein Blitz den Schaden verursacht haben konnte, fehle ihm die nötige Kompetenz.
    Professor Ernest Dingwall, Mr   John Barrett, Mitglied der Royal Society, und Doktor Francis Iremonger wurden hier zur Aussage berufen. Unter freiem Himmel von einem Blitz getroffen zu werden – Magnus’ Tod schien der erste dieser Art zu sein – konnte vielfältige Auswirkungen haben. Manche überlebten es, mit unterschiedlichen Graden an Verbrennung. In einem Fall hatte ein Mann das Bewusstsein verloren, doch als er wieder zu sich kam, war er weitergegangen, ohne sich daran zu erinnern, dass er vom Blitz getroffen worden war. Andere waren auf der Stelle tot; in einem Fall war der Schädel eines Mannes zersprungen, ohne dass die Haut beschädigt worden war. Niemand kannte den Fall einer Vernichtung, wie Doktor Wraxford sie erlitten hatte, wobei Mr   Barrett der Meinung war, dass die Kraft des Blitzes durch die Rüstung verstärkt worden sein konnte. Doktor Iremonger vertrat die gegensätzliche Position, dass die Ritterrüstung die Wirkung eines «Faraday’schen Käfigs» gehabt haben könnte, dass also die gesamte Ladung des Einschlages an der Außenseite der Rüstung abflösse und die Person darin unbeschadet ließe.
    Der Coroner fragte, nicht ohne einigen Sarkasmus, ob die gelehrten Herren willens wären, das Experiment an sich selbst zu erproben. Die gelehrten Herren gestanden, dass sie es nicht tun würden.
    Von diesem Moment an war deutlich, dass der Coroner sich bereits darüber im Klaren war, dass Nell Wraxford schuldig war. In seinem Resümee für die Geschworenen bemerkte er, dass der «Blitzschlag über Wraxford Hall purer Zufall gewesen ist, wenn es ihn denn gegeben hat; der Hauptpunkt ist, dass, sollte Magnus Wraxford zu diesem Zeitpunkt noch nicht tot gewesen sein, als sein Mörder ihn mit vorgehaltener Waffe in die Rüstung zwang – hier scheint mir einzig das Zeugnis vonMr   Montague entscheidend, obwohl Sie natürlich zu Ihrem eigenen Urteil kommen müssen   –, wenn also, wie ich sagte, Magnus Wraxford nicht bereits tot war, dann wurde er dort eingesperrt, damit er verhungere. Bedenken Sie, meine Herren Geschworenen: den Mechanismus zu blockieren war ein Mord, und ein bei weitem grausamerer, als wenn man ihn direkt erschossen hätte.
    Außerdem», fuhr er fort, «wird ein Säugling vermisst, und die Umstände können nur auf die Schuld der Mutter hindeuten. Warum mag wohl Mrs   Wraxford niemanden an das Kind herangelassen haben? Es lässt sich wohl daraus schließen, meine Herren, dass schon ihr Insistieren darauf, dass sie allein die Sorge um das Kind trüge, bereits ein Beweis für ihre geistige Zerrüttung darstellt. Sie haben die Aussage von Doktor Rhys über ihre extreme Aufregung in der Nacht von Mrs   Bryants Tod gehört; und Sie haben die erstaunliche Tatsache, dass sie die einzige Person war, die nicht erwacht ist

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