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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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zweifelsohne die anderen vier gebeten, mit ihren Händen in der üblichen Weise einen Kreis zu bilden. Eleanor Wraxford sollte, wie wir wissen (wie widerwillig auch immer), die Rolle des Mediums spielen. Aber Magnus sagte auch, dass er für den Fall, dass kein Geist sichtbarwürde, seinen Diener Bolton anweisen würde, den Generator auf Höchstleistung zu bringen, und sich selbst in die Rüstung begeben – wie ich es gleich tun werde.
    Wir ersuchen Sie, nur zu beobachten, still und kommentarlos, sodass Sie die Wahrnehmung der anderen nicht beeinflussen. Es wird einige Minuten dauern, bis die Rüstung ganz aufgeladen ist; Ihre Geduld wird sicherlich belohnt werden.
    Ein letztes Wort: Die Demonstration ist nicht ganz ohne Risiko. Was auch geschieht, Sie dürfen Ihre Plätze nicht verlassen, ehe wir Ihnen bedeutet haben, dass Sie das gefahrlos tun können. Ihr Leben kann davon abhängen.»
    Er verbeugte sich erneut, legte mit einem Schwung den Umhang ab und fasste nach dem Heft des Schwertes. Obwohl die anderen die Rüstung bei Tageslicht untersucht hatten (ich selbst konnte mich nicht dazu überwinden, mich ihr zu nähern), hielten alle zugleich die Luft an, als sich die monströse Gestalt auf Vernon Raphael zu stürzen schien, als sich die schwarzen Platten wie Kiefer öffneten, um ihn zu verschlingen. Er trat in das Gehäuse, und Dunkelheit senkte sich über ihn.
    Die einzigen hörbaren Geräusche waren das Knacken der Kohle im Kamin und die Atemzüge der Anwesenden. Mich fröstelte, ungeachtet der Wärme des Feuers, die ich auf meinen Wangen spürte. Neben mir bewegte sich Edwin, als ich meinen Mantel enger um mich zog. Vor den anderen war er zur Anrede «Miss Langton» zurückgekehrt, wofür ich ihm dankbar war, aber seine Mimik sprach Bände, und zumindest Vernon Raphael schien um sein Interesse an mir Bescheid zu wissen.
     
    ∗∗∗
     
    In der Sicherheit vor dem Kamin meines Onkels hatte ich mich selbst als Heldin der Expedition gesehen, geführt vom Ruf des Blutes zu dem alles entscheidenden Schlüssel, den all die Männer, die durch Wraxford Hall geschritten waren, übersehenhatten, das Glied in der Kette, das mich zu Nell führen würde. Aber schon als ich im Zug saß, wuchs meine Besorgnis; ich spürte einen Knoten, der sich in meinem Magen bildete. Edwin und ich teilten ein Abteil mit Vernon Raphael und St John Vine im Frühzug aus London. Vernon Raphael hatte keinerlei Anspielungen auf die Umstände unserer früheren Begegnung gemacht. Aber ihn wiederzusehen hatte verstörende Erinnerungen zurückgebracht an meine Zeit in der Holborn Spiritistischen Gesellschaft und an diese merkwürdigen Augenblicke, wenn ich mich selbst sprechen hörte und dabei genauso wenig wie meine Zuhörer wusste, was als Nächstes gesagt werden würde. Raphael, da war ich mir recht sicher, glaubte nicht an Geister. Obgleich er sich weigerte, seine Pläne offenzulegen, ließ seine Sicherheit vermuten, dass er sehr genau wusste, was folgen würde. Aber meine Erinnerungen an Holborn hatten die nagende Angst ausgelöst, dass,
wenn
etwas in dem Herrenhaus schlummerte, meine Gegenwart es wecken könnte. Eisregen peitschte über den Bahnsteig, als wir in Woodbridge ausstiegen. Edwin führte mich eilends zu einer der wartenden Kutschen, in der ich zuhörte, wie die Kisten dumpf auf dem Dach aufschlugen, und mich nach Elsworthy Walk zurückwünschte. Die Bäume hatten keine Blätter, noch nicht einmal ein Gänseblümchen war zu entdecken, als wir losfuhren, durch die Stadt und dann über weites Marschland, dessen Farben vollkommen ausgewaschen schienen. Windböen zerrten an der Kutsche. Ich blickte durch die regennassen Scheiben und versuchte einen kurzen Blick auf das Meer zu erhaschen, aber der Himmel hing so tief, dass Marschland und Wolken in einem einzigen Grau ineinander verschwammen. Die Männer schwiegen; St John Vine hatte seit unserer Abreise aus London kaum ein Wort gesprochen, und selbst Vernon Raphael schien von der Tristesse der Aussicht verzagt.
    Der Mönchswald kam ohne Vorwarnung: Er türmte sich wie eine schwarze Welle aus dem Nebel auf, als wir vomgrauen Tageslicht in die Fast-Dunkelheit der Tannen tauchten. Der Wind ließ nach; nur noch das Rattern der Räder war zu hören, das Kratzen von Ästen über die Kutsche und ab und zu das Klatschen eines Wasserschwalls vom Blattwerk. Schattenhaft glitten die Umrisse von Baumstämmen vorbei, so nah, dass ich sie hätte berühren können. Der Knoten in meinem Magen wurde

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