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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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dunklem, öligglänzendem Holz, reichlich verziert und mit Gold überzogen. In einem dieser Träume zog es mich weiter in den Raum, bis ich an ein kleines Podest kam, auf dem eine Skulptur stand: ein wildes Tier, vielleicht ein Panther, der zum Sprung ansetzte, aus schwarzem, glänzendem Metall. Kaltes, blaues Licht umgab sie. Eine Vibration, ähnlich dem Summen eines gigantischen Insekts, durchströmte meinen Körper, und ich erwachte von meinem eigenen Entsetzensschrei.
    In einem anderen Albtraum, ruhiger, doch auf seine Weise beängstigender, träumte ich, dass ich in meinem Zimmer aufwachte – immer im Dämmerlicht, kurz vor Tagesanbruch. Alles war am rechten Ort, nur war mein Gehör unnatürlich empfindlich: Das Blut rauschte mir in den Ohren wie das Wogen von Wellen, die sich am Ufer brechen. Dann spürte ich, wie ein bösartiges Wesen sich näherte. Es kam den Gang entlang oder schwebte vor meinem Fenster. Mein Herz begann dann so heftig zu schlagen, dass ich fürchtete, es würde mir die Brust zerreißen. Dann erwachte ich mit heftigem Herzklopfen.
     
    Einige Monate vor meinem Sturz erwachte ich frühmorgens davon – so dachte ich   –, dass leise mein Name gerufen wurde. Ich stand auf und ging im Nachthemd zur Tür. Aber im Korridor war niemand. Die Stimme hatte wie die von Sophie geklungen, aber als ich an Sophies Tür trat, war diese verschlossen. Alles war still. Die Badezimmertür stand einen Spalt offen; dahinter war Mutters Zimmer, dann kamen der Korridorund die Treppen, genau wie im wirklichen Leben. Ich hörte abermals meinen Namen. Aber dieses Mal klang die Stimme wie ein Gong in meinem Kopf nach. Das Licht schwand, als wäre eine Kerze gelöscht worden, und etwas stürmte aus der Düsternis auf mich zu. Ich schrie, bis das Licht zusammen mit dem Geräusch von Fußgetrappel zurückkam. Mir wurde klar, dass der Dämon, der sich meiner bemächtigt zu haben schien, in Wirklichkeit meine Mutter war.
    Mama war völlig zu Recht erbost, und ich konnte ihr nur zustimmen, dass ich in ein Irrenhaus gehörte und dass ich natürlich in ein Irrenhaus eingeliefert werden müsse, wenn ich mit solchem hysterischen Blödsinn fortführe. Es war schön und gut, zu sagen, dass ich daran nichts ändern konnte: Sophie war niemals geschlafwandelt, sie hatte nie das Haus mit ihren Schreien geweckt, warum also fehlte mir so jegliche Selbstkontrolle? Weil ich eigensinnig, widerspenstig, egoistisch und rebellisch war, und noch eine ganze Menge obendrein. Ich war Mamas Schimpftiraden gewohnt. Aber diese war so heftig und – wie mir schien – so gerechtfertigt, dass ich beschloss, mich in meinem Zimmer einzuschließen und den Schlüssel jede Nacht an einem anderen Ort zu verstecken, in der Hoffnung, dass ich mich im Traum nicht an das Versteck erinnern würde. Als die Wochen ohne weitere Vorfälle dahingingen, glaubte ich, von den Albträumen wie vom Schlafwandeln geheilt zu sein, und hörte auf, die Tür abzuschließen, bis mich Elspeth, unser Dienstmädchen, eines Morgens am Fuß der Treppe liegen sah.
     
    Etwa vierzehn Tage darauf – einige Zeit nachdem mir der Arzt bestätigt hatte, dass ich auf dem Wege der Besserung sei – saß ich lesend im Bett, als meine Großmutter hereinkam. Sie setzte sich auf den Stuhl neben meinem Bett. Sie sah genauso aus wie früher, als ich klein war. Dasselbe vornehme schwarze Seidenkleid, ihr weißes Haar sorgfältig hochgesteckt, der altbekannte Duft von Lavendel und Veilchenwasser. Der Stuhl knarrte, alssie sich setzte. Sie nahm dann ihre Handarbeit auf, als wäre sie nur für fünf Minuten fort gewesen und läge nicht seit fünf Jahren auf dem Friedhof in Kensal Green. Mir war eigentlich klar, dass meine Großmutter tot war, aber irgendwie spielte das keine Rolle. Ihre tröstliche Gegenwart an meinem Bett schien vollkommen natürlich. Und obwohl mir meine gelassene Hinnahme ihres Besuchs später ebenso eigenartig schien wie der Besuch selbst, saßen wir in einvernehmlicher Ruhe für unbestimmte Zeit da, bis meine Großmutter ihre Arbeit einsteckte, mich erneut anlächelte und langsam das Zimmer verließ.
    Mama kam so kurz danach herein, dass ich dachte, sie müssten im Korridor aneinander vorbeigegangen sein. Und so fragte ich: «Hast du Großmama gesehen?» Ihr Ausdruck von Befremden machte mir sofort deutlich, dass ich der Sache besser nicht weiter nachginge, und lenkte ein, dass ich wohl geträumt haben musste. Wie nach dem merkwürdigen Lichtschein folgten auf Großmutters

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