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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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Nordlicht gewählt, das ihm als Schlafzimmer und Atelier diente. Schon kurz nach unserer Verlobung war er wieder ernsthaft bei der Arbeit. Obwohl er leichthin davon sprach, ein Meisterwerk zu schaffen, wusste ich, dass er sich nach Anerkennung sehnte. Er wusste um seine Begabung, brauchte aber noch eine Bestätigung der Gesellschaft, um sie zu besiegeln.
    Ich dachte viel darüber nach, wie ich den Tag der Hochzeit schneller herbeibringen könnte, indem ich ebenfalls Geld verdiente. Vergeblich. Eine Anstellung als Kindermädchen oder als Betreuerin anzunehmen – selbst wenn mir eine angeboten würde – bedeutete die Trennung von Edward und von meinen Freunden. Aber natürlich konnte ich nicht ewig von Georges Unterstützung leben, sosehr mir vor der Rückkehr nach Highgate graute. Was wiederum die Angst davor mit sich brachte, meiner Mutter die Verlobung mitzuteilen. Das weiter aufzuschieben wäre Ada und George gegenüber unverantwortlich gewesen, wo das ganze Dorf wusste, dass Edward und ich verlobt waren. Und doch schob ich es auf. Jedes Mal wenn ich mich hinsetzte, um meiner Mutter zu schreiben, brachte der Gedanke an die Wut meiner Mutter eine regelrechte Gewitterwolke mit sich, die alles andere auslöschte. Ich hatte Edward von den Schwierigkeiten mit Mama erzählt, selbst vonder Androhung, mich in eine Anstalt einzuweisen. Aber ich hatte diese Drohung mit meinem Schlafwandeln begründet, nicht mit den Visitationen. Irgendwie brachte ich es nicht über mich, ihm davon zu erzählen. Ich weiß nicht genau, warum. Zweifelte ich an seiner Liebe?, fragte ich mich. – Nein, natürlich nicht. – Warum erzählte ich es dann nicht? Mein Gewissen meinte wohl, ich müsse es tun; aber dann würde er sich nur um mich sorgen, und dafür gab es keinen Grund, jetzt, wo es mir wieder gutging.
    Der wiederkehrende Gedanke, ich hätte Edward bereits einmal irgendwo getroffen, war mein einziger weiterer Grund zur Sorge wie auch die Idee, dass es wichtig wäre, mich daran zu erinnern, wo das gewesen war. Manchmal fand ich mich in den Anblick meines Geliebten versunken mit der Frage: Wo habe ich dich nur gesehen?, und die Antwort lag mir gleich einem vergessenen Wort auf der Zunge, ohne dass ich sie hätte fassen können. Auch verstand ich nicht, warum diese Besorgnis sich mit einem unbehaglichen Gefühl verband – einmal abgesehen von der bevorstehenden Auseinandersetzung mit meiner Mutter   –, dass alles
zu
perfekt, mein Glück
zu
vollkommen war: Es war eine vage, abergläubische Angst, die mich nur überkam, wenn ich alleine war. Ich versuchte mich davon zu überzeugen, dass diese Sorgen nur ein Schatten meines überstandenen Unwohlseins waren – von dem ich nun, natürlich, vollkommen geheilt war.
     
    ∗∗∗
     
    Wenige Wochen später beschloss Edward, seinen Vater in Cumbria zu besuchen. Ich wäre zu gerne mit ihm gefahren, aber ohne eine Begleitperson und ohne die Erlaubnis meiner Mutter, mit ihm zusammen zu reisen, kam nicht in Frage. Edward wollte es seinem Vater persönlich sagen, und ich setzte mich am Morgen nach seiner Abreise an einen Brief an meineMutter. Ich hatte ein halbes Dutzend von Varianten verworfen, von «Ich weiß, Du wirst es nicht gutheißen   …» bis «Ich fürchte, es wird Dich verärgern   …», ehe ich schrieb: «Du wirst erstaunt sein, doch ich hoffe, nicht verärgert, zu lesen, dass ich verlobt bin mit Mr   Edward Ravenscroft, dem Künstler.» Es schien mir das Beste, nicht zu erwähnen, dass Edward im Pfarrhaus wohnte. Alles konnte den Ärger meiner Mutter noch steigern.
    Ich kämpfte noch immer mit meinem Brief, als George aus Aldeburgh mit der Nachricht zurückkehrte, dass er zufällig John Montague begegnet sei, einem Bekannten, von dem er kürzlich gesprochen hatte. Bei ihm war ein ausgesprochen angenehmer Mann gewesen, wie sich herausstellte, Magnus Wraxford, der künftige Besitzer von Wraxford Hall, so angenehm, dass George beschlossen hatte, die beiden für den nächsten Abend zum Essen zu uns einzuladen. Ich bedauerte, dass Edward die Gelegenheit verpassen würde, denn Mr   Montague war ein leidenschaftlicher Amateurmaler und der Anwalt des Wraxford-Anwesens. Aber Mr   Wraxford war nur für einige Tage in der Stadt wegen einer Anhörung bezüglich des Verschwindens seines Onkels.
    Ada freute sich trotz der knappen Vorbereitungszeit für George. «Er hat so selten die Gelegenheit zu einem Männergespräch», sagte sie, «auch wenn Edward natürlich immer eine wunderbare

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