Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
Vom Netzwerk:
– und er hatte eine Gabe zur Vergnügtheit, die für mich die Welt zum Leben erweckte. Ich liebte ihn. Am vierten Tag küsste er mich und gestand mir seine Liebe – vielleicht war es auch umgekehrt, ich weiß es nicht zu sagen   –, und von dem Moment an – ich schreibe es, gleich wie ungehörig (wenn nicht schlimmer) es klingen mag – wollte ich mit ihm schlafen, ohne zu wissen, was das eigentlich bedeutete, außer dass ich vor Glück hätte vergehen wollen, wenn er mich küsste und näher an sich zog.
    Ich hätte Edward noch in derselben Woche geheiratet, aber er sagte mir von Anfang an, dass er sich eine Ehe nicht leisten konnte – sein Vater, ein pensionierter Lehrer in Cumbria, unterstützte ihn   –, solange er sich keinen Namen gemacht hatte. «Bevor ich dich traf», sagte er, «lebte ich nur fürs Malen.» . (Ganz war ich davon nicht überzeugt. Die Sicherheit, mit der er mich umarmte, legte nahe, dass ich nicht die erste Frau war, der er zugetan war. Aber ich war zu glücklich, als dass ich mir darum Gedanken gemacht hätte.) «Nun denke ich nur an den Tag, an dem wir ganz beisammen sein können, und je eher ich ein Meisterwerk vollbringe, desto eher wird der kommen.»
    Ada und George war die Geschwindigkeit unserer Annäherung natürlich nicht geheuer, ebenso wenig unsere Verlobung. Nach den ersten paar Tagen hatte Ada ihre Rolle einer Anstandsdame abgelegt, nicht ohne mir unter vier Augen ihre Bedenken mitzuteilen darüber, was Mama wohl sagen würde, wenn sie davon erführe.
    «Mama wird das nie gutheißen», antwortete ich. «Du weißt, was sie von Künstlern hält; das wäre der endgültige Bruch. Und es gibt keinen Grund, sie davon in Kenntnis zu setzen, nicht, ehe wir uns die Ehe leisten können.»
    «Vielleicht nicht», sagte sie, «aber du musst bedenken, was für einen Skandal das verursachen würde, wenn herauskäme,dass Edward dich unter unserem Dach verführt hat. Wenn deine Mutter das herausfände, würde sie sich sicherlich an den Bischof wenden, und George würde seine Stelle verlieren.»
    «Aber er hat mich nicht verführt! Ich bin mündig, und ich liebe ihn über alles, und für eine Ehe mit ihm brauche ich Mamas Einwilligung nicht   –»
    «Das wird sie kaum davon abhalten, einen Skandal auszulösen. Und abgesehen davon kann ein Mann – selbst ein guter Mann, der er mit Sicherheit ist – die Liebe einer Frau ausnutzen. Besonders, wenn man einander so verfallen ist, wie ihr es seid, und es nicht die Aussicht auf eine baldige Heirat gibt. Halte mich nicht für gefühllos, Eleanor. Ich weiß sehr gut, was es bedeutet, sich – sich danach zu sehnen, bei dem zu sein, den man liebt. Aber du kennst ihn erst seit einer Woche, und das ist schlicht zu kurz, um dir über ihn sicher zu sein, auch um dir deiner eigenen Gefühle sicher zu sein – vor allem, da es sich noch um deine Genesungszeit handelt.»
    «Ja, aber ich dürfte ihn kaum weniger gesehen haben, als Sophie Arthur Carstairs je gesehen hat. Ich werde mir nie sicherer sein, als ich es jetzt bin. Und die Visitationen, dessen bin ich gewiss, wurden nur durch das ausgelöst, was zu Hause vor sich ging   … Meinst du, dass Edward nicht wird bleiben können?»
    «Ich fürchte, nein – nicht, ehe du deiner Mutter gesagt hast, dass du dich verlobt hast.»
    «Dann sage ich es ihr», sagte ich. «Aber ich bin mir sicher, dass sie uns nicht ihren Segen geben wird. Aber bitte, erlaubt Edward zu bleiben – wenigstens noch einige Wochen.»
     
    Und so konnte Edward trotz Adas Bedenken zunächst bleiben. Er bestand darauf, soweit er konnte, zu den alltäglichen Ausgaben beizutragen, so wie ich es getan hatte, mit dem Pfund, das mir meine Mutter für die Zeit des Besuchs wöchentlich zugestand. Obwohl er nach wie vor sehr arm war, begann erdoch, sich einen Namen zu machen. Eine private Galerie – «am falschen Ende der Bond Street», wie er es fröhlich formulierte, aber immerhin: Bond Street – hatte mehrere seiner Bilder verkauft. Außer seiner Studie des Burgverlieses in Orford hatte ich nur einige neuere Gemälde zu Gesicht bekommen, die ihm von der Herberge in Aldeburgh nachgesandt worden waren. Ruinen und verwilderte Orte waren ihre Motive, und sie alle schienen wahrhaftig und hatten dieselbe Unmittelbarkeit von Träumen. Ada hatte ihm verschiedene Zimmer zur Wahl gestellt – das Pfarrhaus war offensichtlich für eine riesige Familie erbaut worden. Er hatte ein ungenutztes Zimmer im ersten Stock mit hohen Fenstern und gutem

Weitere Kostenlose Bücher