Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
Vom Netzwerk:
Namen schon einmal gehört zu haben. Gut möglich allerdings, dass ich einige seiner Bilder kenne.»
    «Vielleicht aber auch nicht», sagte ich. «Edward ist noch dabei, sich einen Namen zu machen – er ist erst sechsundzwanzig, müssen Sie wissen   –, aber ich bin mir sicher, dass es ihm gelingen wird.»
    «Dann freue ich mich darauf, die Früchte dessen zu sehen. Ich interessiere mich sehr für Malerei, Miss Unwin, insbesondere für die Arbeit meiner Zeitgenossen.»
    «Wie es der Zufall will», sagte ich zögerlich, «haben wir eines der Bilder hier. Ich bin mir sicher, er hätte nichts dagegen einzuwenden, dass Sie es sich anschauten – und Mr   Montague, wenn er möchte.»
    Edwards Studie vom Burgverlies in Orford war gerahmt worden und hing im gegenüberliegenden Zimmer. Die beiden Männer   – John Montague hatte mittlerweile seine Selbstbeherrschung wiedergefunden, obgleich mir nicht entging, dass er mich anblickte, wann immer er meinte, ich würde es nicht bemerken – betrachteten eine Weile schweigend das Bild, während George und ich auf ihr Urteil warteten. Ada sah nach dem Essen.
    «Das ist sehr gut – wirklich sehr gut», sagte Doktor Wraxford schließlich. «Und ausgesprochen originell – war Mr   Ravenscroft in Paris?»
    «Nein», sagte ich. «Aber er möchte möglichst bald hinfahren.» Edward hatte den festen Plan, dass uns unsere Hochzeitsreise dort hinführen sollte. Der Gedanke daran ließ mich erröten.
    «Sehr beeindruckend. Meinen Sie nicht, Montague?»
    «Äh, ja, ja – sehr gut, wie Sie sagten. Ich habe bestimmt ein Dutzend Versuche von dieser Szenerie – keiner halb so vollendet wie dieses Gemälde.»
    «Na, mein Lieber», sagte Magnus Wraxford, «Sie wissen, dass Ihr Bild von Wraxford es mit jedem aufnehmen kann – und wirklich, etwas an diesem Bild erinnert mich daran. Mr   Montague», wandte er sich an uns, «hat eine vorzügliche Studie von Wraxford Hall im Mondschein gemalt.»
    «Was mein Abgesang gewesen sein dürfte. Sie haben vermutlich von dem Aberglauben der Wilderer gehört, Mr   Woodward: dass jeder, der den Geist des Mönches sieht, innerhalb eines Monats stirbt. Für mich, obgleich ich keinen Geist gesehen habe, scheint es mein Talent gewesen zu sein, das gestorben ist.» Er sprach gelassen, aber der bittere Unterton war nicht zu überhören.
    «Ich bin sicher», sagte George, «dass Ihr Talent nur eine Zeit lang ruhen muss. Abgesehen davon haben Sie ja einen Beruf, der viel von Ihrer Zeit beansprucht. Sie können nicht erwarten, die Arbeit von jemandem, der den ganzen Tag nichts anderes tut, als zu malen, zu übertreffen.»
    Mr   Montagues Gesichtsausdruck drückte alles andere als Zustimmung aus. Aber wie auch immer seine Antwort hätte lauten mögen, der Ruf zum Abendessen kam ihr zuvor.
     
    ∗∗∗
     
    Als die Teller nach dem Fisch abgeräumt wurden, war es schon fast dunkel draußen. George saß an der Kopfseite des Tisches, Ada und Magnus Wraxford zu seiner Rechten, ich und John Montague links von ihm, den Blick zum Fenster. Ich war dankbar für diese Sitzordnung, musste ich ihn so nur dann direkt ansehen, wenn er mich ansprach, was er selten tat. Ich rang immer noch damit, das ungute Gefühl abzuschütteln, das er verursacht hatte – wobei es vielleicht auch nur meine Angstdavor war, was die Post am nächsten Tag mit einem Brief meiner Mutter bringen mochte.
    Die Unterhaltung hatte sich bisher von Mr   Millais’ Wahl in die Akademie bis zu Fragen der Bibelauslegung erstreckt, drehte sich um die Erfolge der Hypnose bei der Linderung von Schmerzen bis hin zur Heilung von Krankheiten, eine Behandlungsmethode, die – laut Doktor Wraxford – von der Ärztezunft voreilig zurückgewiesen worden war. Er sprach einige Zeit über die hypnotische Suggestion und wie diese selbst die Funktion des Herzens beeinflussen konnte.
    «Bei aller Rede vom Fortschritt», so sagte er abschließend, «scheinen wir – also, die Mehrheit meiner Kollegen – jede Behandlung, ungeachtet ihrer Erfolge, zu verschmähen, die wir nicht organisch erklären können. Darin besteht die große Schwierigkeit bei Hypnose; darin – und in ihrem Missbrauch durch Scharlatane und Quacksalber. Entschuldigen Sie, Montague – er hat mich bereits davon sprechen hören.»
    John Montague murmelte etwas.
    «Ist es möglich», fragte George, «jemanden gegen seinen Willen zu hypnotisieren?»
    «Möglich schon, sofern er entsprechend empfänglich für Eindrücke ist. Aber nur ein Scharlatan

Weitere Kostenlose Bücher