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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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Gesellschaft ist   …» Ich konnte ihr nicht widersprechen, ging doch Edwards theologisches Verständnis nicht sonderlich weit. «Wenn ich nach meinem Tod feststelle, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, werde ich angenehm überrascht sein – zumindest vertraue ich darauf, dass die Überraschung für mich angenehm sein wird   –, wenn nicht, dann ist alles vergessen.
Carpe diem
bleibt wohl doch meine Devise.» Ich aber nutzte nicht den Tag, sondern die Unmenge an Vorbereitungen als Entschuldigung, den Brief aufzuschieben, sodass er erst am nächsten Morgen beendet war. Und das auch nur deshalb,weil Ada darauf bestand, dass der Brief an meine Mutter unbedingt vor der Ankunft der Gäste abgeschickt sein musste, falls wir in Gegenwart von Doktor Wraxford – einem Londoner Arzt, der sicherlich weidlich bekannt war – über meine Verlobung sprechen sollten.
     
    Ada und ich standen am Wohnzimmerfenster, als unsere Gäste hereingeführt wurden. Ich trug ein einfaches weißes Gewand, das meiner Mutter immer sehr missfallen hatte (weil es so altmodisch wirkte, dass es gut aus dem letzten Jahrhundert hätte sein können), Ada war in Dunkelblau gekleidet. Ich nehme an, dass wir mit dem Schimmer des letzten Abendlichts im Haar ein malerisches Bild abgaben. Aber ich war gänzlich unvorbereitet auf die Wirkung – meine Wirkung, wie mir bald klarwurde – auf Mr   Montague.
    Zunächst aber richtete sich meine Aufmerksamkeit auf Magnus Wraxford. Er war nur ein oder zwei Zoll größer als John Montague, allerdings breiter in den Schultern, und doch schien Mr   Montague nahezu in seinem Schatten zu verschwinden, als sie über den Teppich auf uns zukamen. Magnus Wraxford sah kaum älter als fünfunddreißig aus, er hatte schwarzes, dichtes Haar, einen gestutzten schwarzen Bart, der ihm etwas Mephistophelisches gab, und dunkle Augen mit einem bemerkenswerten Glanz. Auch wenn George gesagt hatte, dass er gut aussah, überraschte mich die gewaltige Präsenz seiner Person. Die Redewendung «Die Augen sind das Fenster der Seele» schoss mir durch den Sinn, als ich ihm meine Hand entgegenstreckte; und in dem Augenblick der Berührung unserer Finger hatte ich das wenig angenehme Gefühl, meine Seele offenbare sich für einen Moment seinem Blick.
    «Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Unwin.» Seine Stimme war voll und tief. Sie erinnerte mich an irgendjemanden.
    «Und das ist Mr   John Montague», sagte George.
    Ich drehte mich zu ihm – einem hageren Mann in dunklem Anzug mit braunem, schon etwas schütterem Haar – und bemerkte, dass er tief bewegt war. John Montague starrte mich an – er kämpfte damit, seine Emotionen zu verbergen, als sich unsere Blicke trafen   –, als wäre ich ein Geist. Etwas an seinem erschreckten Ausdruck brachte die vage Erinnerung an meine letzte Visitation zurück, einen unheilverkündenden Schatten, den ich schnell abschüttelte. Seine Hand war kalt und zitterte merklich.
    «Auch ich, Miss   – Unwin, bin – bin sehr erfreut», sagte er.
    «Danke, Sir. Leider kann mein – mein Verlobter, Mr   Ravenscroft, nicht hier sein, um Ihre Bekanntschaft zu machen.»
    Ich hatte nicht vorgehabt, meine Verlobung so übereilt mitzuteilen. Aber seine Aufregung brachte mich dazu. Bei dem Wort «Verlobter» zuckte er förmlich zusammen und schien einige Anstrengung darauf zu verwenden, seine Emotionen zu kontrollieren.
    «Mr   Ravenscroft ist von Beruf Maler», sagte Ada, «und er reist auf der Suche nach Motiven ziemlich viel umher.»
    «Bemerkenswert», sagte Mr   Montague, wobei er immer noch mich anschaute. «Ich meine   … also   …», es entstand eine verlegene Pause.
    «Miss Unwin», sagte er schließlich, «bitte verzeihen Sie. Wissen Sie   – Sie sehen meiner verstorbenen Frau Phoebe unglaublich ähnlich. Das macht mich sprachlos.»
    «Es tut mir sehr leid, von ihrem Tod zu hören», sagte ich. «War es erst kürzlich?»
    «Nein – sie starb vor fünf Jahren.»
    «Es tut mir wirklich sehr leid», entgegnete ich, Weiteres fiel mir nicht ein. Dass unsere Ähnlichkeit ihm auch nach langer Zeit noch so zusetzte, beunruhigte mich. Zu meiner Erleichterung nahm Ada ihn beiseite, und Doktor Wraxford verwickelte mich in ein Gespräch.
    «Lebt Mr   Ravenscroft in dieser Gegend?»
    «Nicht immer», sagte ich mit leichtem Unbehagen. «Wie Ada schon sagte, Edward reist viel umher. Gerade besucht er seinen Vater in Cumbria.»
    «Edward Ravenscroft   … ich kann mich nicht erinnern, den

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