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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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gestutztem schwarzem Bart und schließlich als Magnus Wraxford entpuppte.
    «Ich dachte, ich hätte Sie erkannt, Miss Unwin. Das ist eine einsame Gegend für einen Spaziergang», sagte er, als er wenige Schritte vor mir das Pferd zum Stehen brachte. Er war wie für die Jagd gekleidet mit einer kurzen schwarzen Reitjacke, weißen Socken, rostfarbenen Reithosen und polierten Stiefeln.
    «Ich wollte alleine sein», sagte ich und bereute die Worte sofort: Sie waren zu intim.
    «Dann möchte ich mich entschuldigen, dass ich Ihre Einsamkeit störe», sagte er, lächelte auf mich hinunter, machte aber keinerlei Anstalten, sein Pferd zu wenden. Wieder hatte ich den unangenehmen Eindruck, dass meine Gedanken offen vor ihm lagen.
    «Das meinte ich nicht, Sir, nur   …», ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
    «Dürfte ich Sie dann, ich möchte mich nicht aufdrängen, begleiten?»
    «Danke, Sir, aber ich bin für heute weit genug gegangen. Ich muss nach Chalford zurückkehren, was Sie weit von Ihrem Weg abbrächte.»
    «Nicht im Geringsten, Miss Unwin. Ich würde mich freuen, wenn Sie es mir erlaubten, und mein Pferd wird sich über eine Pause freuen.» Er will mich nach meiner «Freundin» fragen, dachte ich. Ich war schon dabei abzulehnen, als mir einfiel, dass ich ihn darum bitten musste, keinem etwas von meiner Verlobung zu sagen. Und so willigte ich ein, woraufhin er abstieg, sein Pferd an den Zügeln führte und wir den Rückweg antraten. Ich war erleichtert, dass er mir nicht seinen Arm anbot.
    Zuerst plauderten wir – oder vielmehr plauderte er – so dahin, während ich versuchte, den Mut zu finden, ihm zu sagen, was ich sagen musste, um Adas und Georges willen. Er sei gerade in Wraxford Hall gewesen, erzählte er mir, um zu sehen, was man damit tun könne. Die Bestätigung des Todes seines Onkels Cornelius stand nun bevor, wobei sich die gerichtliche Testamentsbestätigung noch etliche Monate hinziehen konnte. Ich erinnerte mich daran, dass er gesagt hatte, dass das Herrenhaus ein idealer Ort für sein Experiment mit der Clairvoyance wäre, was mich zusätzlich beunruhigte. Doch abgesehen von meinem Unbehagen ging mir auf, dass hier eine einmalige Möglichkeit lag. Er hatte über die Kraft der Hypnose gesprochen für die Heilung von Nervenkrankheiten; er hatte geahnt, da war ich mir sicher, dass ich von mir selbst gesprochenhatte; warum also sollte ich ihn nicht fragen, ob er ein Mittel wüsste, das alle weiteren Visitationen unterbinden könnte? Meine Antworten wurden immer unzusammenhängender, während diese Idee Gestalt annahm, sodass es nur natürlich war, als er irgendwann fragte, ob mir etwas auf der Seele liege.
    Zögernd und mit heftigen Bedenken erzählte ich ihm alles von den Visitationen, erzählte vom Schlafwandeln und von dem Sturz bis hin zu der Erkenntnis im Wohnzimmer meiner Mutter vor einer Woche. Er hörte konzentriert zu – ja, wie mir schien, mit Bewunderung – und stellte kaum Fragen, bis ich zum Ende gekommen war.
    «Ich hoffe, Sie verstehen, Sir», sagte ich abschließend, «dass dieses – dieses Leiden mich tief bekümmert. Sie hatten bei unserem gemeinsamen Abendessen die Möglichkeit einer Hirnverletzung erwähnt, die mit der Zeit von selbst heilen würde. Aber wenn es ein direktes Heilmittel gegen diese Visitationen gäbe, wäre ich dankbar, darum zu wissen. Ich habe sehr wenig Geld und könnte mir eine Behandlung vermutlich nicht leisten, aber es wäre wenigstens eine Erleichterung zu
wissen
  –»
    «Meine liebe Miss Unwin», unterbrach er mich – er klang beinahe gekränkt   –, «seien Sie gewiss, dass ich Ihnen mein Fachwissen uneingeschränkt zur Verfügung stelle. Zuerst einmal: Ein Fall wie der Ihre ist mir bisher noch nicht begegnet, und es ist eine Ehre und ein Privileg, Ihnen mit allem, was in meiner Macht steht, zur Seite zu stehen.
    Ich muss Ihnen gestehen, dass es – wenn Sie nicht fest entschlossen wären, von diesen Visitationen, wie Sie sie nennen, befreit zu werden – mich faszinieren würde zu erfahren, was weiter geschähe. Ich sprach an jenem Abend von einer Verletzung des Gehirns und später vom Hellsehen. Nachdem ich nun die deutlich längere Version gehört habe, bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass beides gut miteinander einhergehen kann. Natürlich wissen wir noch nicht einmal mit Sicherheit, ob es Clairvoyance gibt – das sind unergründeteGefilde. Aber keine Sorge, Miss Unwin, ich werde mein Bestes tun, damit Ihre Visitationen nicht

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