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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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angenommen, mein Leiden kehrt wieder   –, wenn ich eine Erscheinung von Ihnen sehen sollte   –» Doch schon als ich diese Worte aussprach, wusste ich, dass er irgendwie gegen die Visitationen gefeit war.
    «Ich kann nur sagen, Eleanor, dass du es sein wirst oder keine. Ich war zufrieden mit dem Junggesellendasein und hattenicht vor zu heiraten. Aber du hast meine Phantasie beschäftigt, wie ich nie für möglich gehalten hätte, dass eine Frau es tun könne. Und was dein Leiden angeht, wie du es nennst: Du hast recht. Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob du geheilt bist. Du hast eine Kraft in dir, die – ob es dir nun gefällt oder nicht – vermutlich nur eingeschränkt werden kann. Ich fürchte sie nicht – anders als viele Menschen»   –, er beugte sich vor und nahm meine Hand – seine war überraschend kalt – und sah mich mit seinem durchdringenden Blick an – «und mich schreckt der Gedanke, du könntest denen in die Hände fallen, die dich einfach einsperren würden, wenn sie davon wüssten – was dir, wie du mir einmal erzähltest, deine eigene Mutter androhte.»
    «Aber ich kann dich doch nicht einfach heiraten   … verzeih, du musst mir Zeit geben   –», ich brach ab, als mir klarwurde, was ich gerade gesagt hatte.
    «Natürlich», sagte er lächelnd. «Alle Zeit der Welt. Und ich werde wenigstens die Hoffnung haben.»
     
    Ada und George waren überrascht, wenn auch nicht wirklich erstaunt, als sie von seinem Antrag hörten, und wir saßen bis tief in die Nacht hinein zusammen. «Wenn du dir deiner Gefühle nicht sicher bist», sagte Ada immer wieder, «dann darfst du nicht annehmen. Bei uns wirst du immer ein Zuhause haben», und ich ging zu Bett mit dem Entschluss abzulehnen. Aber ich wusste, dass ich ihnen nicht mehr lange zur Last fallen konnte. Ada hoffte nach wie vor auf ein Kind, und ein Einkommen, das gerade einmal für drei ausreichte, konnte unmöglich für vier genug sein. Stunden warf ich mich im Bett hin und her, ehe ich endlich in ungute Träume hinüberglitt, von denen ich mich nur an den letzten erinnere.
    Ich erwachte – oder träumte, dass ich erwachte – im Morgengrauen und dachte, ich hätte meine Mutter meinen Namen rufen hören. An ihrer Gegenwart im Pfarrhaus fand ich nichtsEigenartiges. Ich lag einige Zeit lauschend da, aber der Ruf wurde nicht wiederholt. Schließlich stand ich auf, ging im Nachthemd zur Tür und blickte hinaus. Im Korridor, der genauso aussah, wie er in Wirklichkeit aussieht, war niemand. Aber plötzlich ergriff mich eine erschreckende Vorahnung. Ich bekam Herzklopfen, immer heftiger, bis mir klarwurde, dass ich träumte – und dass ich in pechschwarzer Dunkelheit stand, ohne zu wissen, wo ich war. Ich fühlte einen Teppich unter meinen bloßen Füßen. Mein Herz pochte nach wie vor heftig, ich streckte die Hand aus, bis ich auf einen Gegenstand aus Holz stieß – etwas wie einen Balken – und schob dann einen Fuß nach vorn, bis er über einen Rand im leeren Raum hing. Ich war nur um Haaresbreite davon entfernt, kopfüber die Treppe hinabzustürzen.
     
    Am nächsten Morgen kehrte Magnus Wraxford zurück und machte mir erneut seinen Antrag. Dieses Mal nahm ich ihn an.
     
    ∗∗∗
     
    An einem grauen Frühjahrsmorgen, wenige Stunden ehe ich mit Magnus Wraxford vermählt werden sollte, stand ich an Edwards Grab. Meine Zweifel hatten schon an dem Nachmittag eingesetzt, als ich Magnus mein Jawort gegeben hatte, als ich Ada und George davon erzählte: Ich hatte die erzwungene Fröhlichkeit in meiner Stimme gehört, und ihre Gesichter hatten mein eigenes Unbehagen widergespiegelt. Warum hatte ich ihm nicht gleich am nächsten Tag gesagt, dass ich mich anders entschieden hatte? Das war schließlich das Vorrecht einer Frau. Weil ich mein Wort gegeben hatte; weil ich ihn das erste Mal zurückgewiesen hatte; weil er Vertrauen in mich gesetzt hatte: die Gründe vervielfältigten sich wie die Köpfe einer Hydra. Ich hatte Dutzende von Versuchen eines Briefesan ihn zerrissen, in dem ich ihm sagen wollte, dass ich ihn nicht heiraten könne, weil ich ihn nicht so liebte, wie eine Frau ihren Mann lieben soll. Jedes Mal, wenn ich zum «Weil» kam, hörte ich seine Erwiderung: «Das erwarte ich nicht; ich hoffe nur, dass deine Liebe zu mir mit der Zeit entstehen wird.»
    Ich verstand selbst nicht, wie ich mich darauf hatte einlassen können: Innerhalb einer einzigen Stunde im Garten des Pfarrhauses hatte ich mich von einem Mann, den ich kaum kannte,

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