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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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verfiel dann in sein übliches Benehmen und sagte, als sei nichts geschehen: «Ich hoffe, du hast gut geschlafen, Liebling.»
    Bald darauf ging er aus dem Haus und kam erst sehr spät zurück. Den ganzen Abend tat er so, als sei nichts geschehen, und als es an der Zeit war, ins Bett zu gehen, fasste er mich nicht an, sondern verbeugte sich, wünschte mir eine gute Nacht und ging in sein Zimmer. Ich lag die halbe Nacht wach und fürchtete seine Schritte auf der Treppe. Aber am nächsten Morgen war es genauso. Nur daran, dass er mich nicht berührte, merkte ich, dass etwas nicht in Ordnung war. Sophie kündigte bald darauf; wenn sie dazu gezwungen worden war, dann gab sie es mir gegenüber jedenfalls nicht zu. Tag für Tag spielte er weiter den ergebenen Ehemann, in Gesellschaft und in Gegenwart der Hausangestellten, und ich hatte an diesem Schauspiel teil, ratlos, was ich sonst tun sollte. Die Maske verrutschte nie, auch nicht in den kurzen Zeitspannen, die wir alleine waren. Er war die meiste Zeit unterwegs zu seinen Patienten – so sagte er jedenfalls   –, und am Abend, wenn erdenn zu Hause aß, entschuldigte er sich sehr höflich, kaum dass die Teller abgetragen waren, und ich sah ihn erst am nächsten Morgen wieder zum Frühstück.
     
    Hätte er irgendeine Emotion gezeigt – selbst Wut   –, ich glaube, ich hätte irgendetwas für ihn empfunden. Vielleicht hätte ich ihn um Vergebung bitten sollen, aber das schien mir wir eine Selbsterniedrigung, und schon die Vorstellung ließ mir die Haare zu Berge stehen, denn mittlerweile hatte ich Angst vor dem, was sich hinter der lächelnden Fassade verbarg. Einige Wochen darauf stellte ich fest, dass ich schwanger war.
    Ich dachte, dass diese Neuigkeit dazu angetan sei, unsere Situation zu verändern. Aber als ich mich schließlich durchrang, ihm davon zu erzählen – eines Morgens beim Frühstück, als das Dienstmädchen nicht im Zimmer war   –, antwortete er nur: «So werde ich einen Sohn haben. Ich gratuliere dir, Liebling. Du wirst auf deine Gesundheit achtgeben müssen, die ja in letzter Zeit nicht ganz stabil war.» Ich wagte es nicht, seine Gewissheit, dass das Kind ein Junge wäre, in Frage zu stellen.
    Ich musste die meiste Zeit meiner Schwangerschaft, die in einer Art Schwebezustand dahinging, wo Tage und Wochen ineinander verschwammen, das Haus hüten. Magnus war immer wieder einige Tage am Stück fort. Er behandelte mich zu meiner Erleichterung nicht selbst, sondern hatte einen älteren Hausarzt angestellt, Doktor Stevenson ziemlich ähnlich. Ich musste wenig tun, außer ruhen, wie mir geheißen war; ich las und versuchte um des Kindes willen, die eisige Angst, die mein Herz ergriffen hatte, zu vertreiben. Wenn es mir gut genug ging, machte ich mit dem Zimmermädchen Lucy – die einzige Hausangestellte, die ich selbst hatte einstellen dürfen – Spaziergänge in Regent’s Park, der wenige hundert Meter vom Haus am Munster Square entfernt war.
    Lucy – möglich, dass ich sie nie wiedersehen werde – ist ein ruhiges Mädchen mit sanfter Stimme; ihr Zimmer lag aufdemselben Treppenabsatz wie meines. Sie hatte unbedingt besser lesen lernen wollen, und als Clara geboren wurde, konnte sie es flüssig. Sie war eher wie eine Freundin als wie ein Dienstmädchen für mich, wenn ich das auch vor den anderen zu verbergen suchte. Den Haushalt bestellen Magnus’ Kammerdiener Bolton und die Köchin Mrs   Ryecott. Von Zeit zu Zeit geben sie vor, mich um Rat zu fragen, und ich sage ihnen dann, dass sie nach ihrem Gutdünken handeln sollen. Bolton kommt mir vor, als sei er Magnus’ enger Freund, ein unscheinbarer Mann mit einem schmalen Gesicht von dunkler Hautfarbe; immer trägt er einen schwarzen Anzug. Wir mochten einander vom ersten Augenblick nicht, und ich bin mir immer seines Misstrauens bewusst. Mrs   Ryecott ist eine ausgemergelte Frau mittleren Alters, gleichermaßen Magnus ergeben, und auch sie betrachtet mich als Eindringling. Dann sind da Alfred, der Lakai und Stallbursche, ein Junge von vielleicht siebzehn Jahren, und die beiden Dienstmädchen Carrie und Bertha, die in ständiger Angst vor Mrs   Ryecotts Zorn leben. Sie sind alle hier, in Wraxford Hall – alle außer Lucy, die nach Hereford gefahren ist, um ihre kranke Mutter zu pflegen. Sie blieb so lange wie möglich bei mir. Ich verlangte an dem Morgen unserer Abreise, dass sie direkt nach Paddington führe, aber sie bestand darauf, den ganzen Weg bis Shoreditch mitzukommen, um mir mit

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