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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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wohlfrisierten, rotbraunen Haares, nicht nur ihr eigenes. Ihre Blässe hatte einen Stich ins Bläuliche. Ich hatte mit Bedacht ein einfaches graues, hochgeschlossenes Gewand gewählt, das bei einem Quäker Zustimmung gefunden hätte. Sie musterte mich mit einem demonstrativ mitleidigen Blick. Sie hatte eine laute Altstimme, kokett, wenn sie mit Magnus sprach, herablassend, wenn sie sich an mich wandte.
    Zu Gast war ferner nur noch ihr Arzt, Doktor Rhys aus Wales, klein und schmächtig, mit sehr großen, auffallend blauen Augen – nein, eigentlich waren sie fast türkis   –, die ihn immer erschreckt aussehen ließen. Er sah nicht älter aus als fünfundzwanzig, war aber verheiratet und hatte einen Sohn und eine neugeborene Tochter. Es schien mir, als beschäme ihn seine Rolle eines medizinischen Schoßhündchens ein wenig, aber er schien Magnus sehr ergeben zu sein. Mrs   Bryant setzte zu einem Bericht von ihren Problemen mit der Ärzteschaft an. Magnus musste sie schon seit einiger Zeit mit Hypnose behandelt haben, ganz mit der Billigung von Doktor Rhys. Trotz Mrs   Bryants gezielter Verachtung fühlte ich mich weniger unwohl, als ich erwartet hatte, bis ich bemerkte, dass Doktor Rhys mich mit professioneller Aufmerksamkeit betrachtete und von Zeit zu Zeit Magnus, der neben mir, aber ein Stückchen weiter hinten saß, einen Blick zuwarf.
Magnus
hat ihm von meinen Visitationen erzählt,
dachte ich, und dann:
Zwei Ärzte müssen den Wahnsinn eines Patienten bestätigen
.
    Die Tasse klapperte auf der Untertasse in meiner Hand; Mrs   Bryant hielt mitten im Satz inne und fragte mich mit einigem Missfallen, ob mir unwohl sei.
    «Nein», antwortete ich, «nur ein bisschen – das heißt   … nein, gar nicht.»
    «Das freut mich. Sie können sich sehr glücklich schätzen», sagte sie spitz, «die Ehefrau eines so exzellenten Arztes zu sein und seine Dienste jederzeit in Anspruch nehmen zu können.»
    Ich zwang mich zu einem Lächeln und murmelte etwas Unverständliches. Ich setzte die Tasse ab, um meinen Stuhl unauffällig ein Stück zurückschieben zu können und so Magnus in meinem Blickfeld zu haben. Hinter seiner freundlichen Maske vermeinte ich ein Glimmen von Belustigung zu entdecken.
Ich muss die Ruhe bewahren,
dachte ich.
Ich will ihm nicht in die Hände spielen.
Aber ihre nächste Bemerkung verunsicherte mich noch mehr.
    «Ihr Ehemann hat mir erzählt, Mrs   Wraxford, dass er jetzt der rechtmäßige Besitzer von Wraxford Hall ist. Nach all den unnötigen Verzögerungen müssen Sie erfreut sein.»
    Als ich Magnus geheiratet hatte, hatte ich ihm gesagt, dass ich nie wieder etwas von dem Haus hören und es niemals sehen wollte. Seit unserer Entfremdung hatte ich mich manchmal gefragt, warum er nicht von Wraxford Hall sprach, wo er mich damit doch verletzen konnte. Nun ging mir mit einem plötzlichen Gefühl von Eiseskälte auf, dass sie unter einer Decke steckten, dass sie versuchten, mich in einen hysterischen Ausbruch zu treiben, der es rechtfertigen würde, mich einzusperren. Die Wände von Mrs   Bryants opulentem, über und über geschmücktem Wohnzimmer schienen sich um mich herum zu schließen. Ich neigte den Kopf und wagte nicht zu sprechen.
    «Das Herrenhaus ist natürlich in einem sehr heruntergekommenen Zustand», sagte Magnus sanft. «Aber ich bin mir sicher,dass wir einige Zimmer herrichten können für unser – Experiment. Mrs   Wraxford weiß von alldem nichts», fuhr er fort. «Ich wollte sie damit nicht behelligen, solange die Besitzverhältnisse nicht geklärt waren.»
    Ich wartete darauf, dass er fortführe, was er aber nicht tat. Alle Augen richteten sich auf mich, wie auf eine Schauspielerin, die ihren Einsatz verpasst hat.
    «Experiment?», sagte ich und hasste das Beben in meiner Stimme.
    «Ja, meine Liebe», sagte Magnus. «Du erinnerst dich mit Sicherheit an den Abend, an dem wir uns das erste Mal begegneten. Ich bemerkte, dass Wraxford Hall die ideale Szenerie für eine Séance sei – durchgeführt nach rein wissenschaftlichen Regeln   –, mit deren Hilfe sich ein für alle Mal die Frage des Lebens nach dem Tod beantworten ließe. Mrs   Bryant interessiert sich sehr für Spiritismus und möchte daran gerne teilnehmen, ebenso auch Doktor Rhys.»
    «In der Tat», sagte Godwin Rhys. Er blickte Mrs   Bryant an und sah umständlich auf seine Uhr, um sich dann mit den Worten zu erheben: «Und nun bitte ich Sie, mich zu entschuldigen. Ich muss Sie leider verlassen – ein wichtiger

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