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Ruf mich bei Deinem Namen

Ruf mich bei Deinem Namen

Titel: Ruf mich bei Deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Aciman
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null’amato amar perdona .
    Der Fuß … So eine Reaktion hatte davor nicht einmal der Kuß ausgelöst, sondern nur noch der Druck seines Daumens auf meine Schulter.
    Als ich am späten Nachmittag aufwachte, hatte ich unheimliche Lust auf Joghurt. Kindheitserinnerungen. Ich ging in die Küche, wo Mafalda gemächlich das vor Stunden abgewaschene
Geschirr wegräumte. Auch sie hatte wohl ein Schläfchen gehalten und war gerade erst aufgewacht. Ich holte mir einen großen Pfirsich aus der Obstschale und machte mich daran, ihn zu
schälen.
    » Faccio io «, sagte sie und versuchte, mir das Messer aus der Hand zu nehmen.
    » No, no, faccio da me «, gab ich zurück, bemüht, sie nicht zu kränken.
    Ich wollte den Pfirsich in Scheiben schneiden, dann die Stücke in kleinere Stücke zerlegen und die wieder in noch kleinere, die Frucht atomisieren. Therapie. Dann nahm ich mir eine
Banane, schälte sie bedächtig und schnitt sie in dünnste Scheiben, würfelte sie. Ebenso eine Aprikose. Eine Birne. Datteln. Dann nahm ich den großen Joghurtbehälter
aus dem Kühlschrank und gab seinen Inhalt und das zerkleinerte Obst in die Küchenmaschine. Zum Schluss kamen als Farbtupfer noch ein paar frische Erdbeeren aus dem Garten dazu. Ich liebte
das Schnurren des Mixers.
    Diese Art von Dessert kannte sie nicht, aber sie griff nicht ein, als müsse man jemanden, der schon genug gelitten hatte, gewähren lassen. Sie wusste Bescheid, die Alte. Sie musste den
Fuß gesehen haben. Sie ließ mich nicht aus den Augen, bereit, sich auf mein Messer zu stürzen, ehe ich mir damit die Pulsadern aufschneiden konnte.
    Als die Mixtur fertig war, goss ich sie in ein großes Glas, spießte einen Strohhalm hinein wie einen Pfeil und ging auf den Patio hinaus. Auf dem Weg dorthin holte ich den
großen Bildband mit den Monet-Reproduktionen aus dem Wohnzimmer und legte ihn auf einen Hocker neben der Leiter. Ich würde ihn nicht auf das Buch aufmerksam machen, sondern es nur dort
liegen lassen, dann würde er Bescheid wissen.
    Im Patio saß meine Mutter mit zwei Schwestern, die zum Bridgespielen aus S. gekommen waren, beim Tee. Die vierte im Bunde wurde jeden Augenblick erwartet.
    Von der Garage her hörte ich ihren Chauffeur mit Manfredi über Fußballspieler palavern.
    Ich verzog mich mit meinem Glas in den hintersten Winkel des Patio, holte mir eine Liege, rückte sie so, dass ich auf die lange Balustrade sah und bemühte mich, die letzte halbe Stunde
voller Sonne auszukosten. Ich saß gern dort und sah zu, wie der schwindende Tag in die heraufziehende Abenddämmerung überging. Es war eine gute Zeit, um noch einmal schwimmen zu
gehen, aber auch für ein Buch.
    Wie schön, sich so ausgeruht zu fühlen. Vielleicht hatten die Alten recht: Ein Aderlass hin und wieder konnte nicht schaden. Wenn das Gefühl anhielt, konnte ich später
versuchen, ein oder zwei Präludien und Fugen zu spielen, vielleicht eine Brahms-Phantasie. Ich trank noch einen Schluck Joghurt und legte mein Bein auf die Nachbarliege.
    Erst nach einer Weile begriff ich, dass diese Haltung nichts als Pose war.
    Ich wollte, dass er mich bei seiner Rückkehr total entspannt antraf. Er konnte ja nicht wissen, was ich für den Abend geplant hatte.
    »Ist Oliver im Haus?«, fragte ich meine Mutter.
    »Ist er nicht ausgegangen?«
    Ich sagte nichts. Von wegen »Ich halt mich in der Nähe …«
    Nach einer Weile kam Mafalda, um das leere Glas zu holen. Vuoi un altro di questo , willst du noch eins von dem Zeug, fragte sie, als handle es sich um ein
eigenartiges Gebräu, dessen fremdländischer, unitalienischer Name – so es denn überhaupt einen hatte – sie nicht interessierte.
    »Nein, vielleicht gehe ich noch aus.«
    »Um diese Zeit?«, fragte sie und dachte offenbar ans Abendessen. »In deinem Zustand? Mi preoccupo , ich mach mir Sorgen.«
    »Ist schon okay.«
    »Ich würde dir abraten.«
    »Keine Sorge.«
    » Signora «, ging sie meine Mutter Üum Unterstützung an.
    Meine Mutter war auch dagegen.
    »Dann gehe ich schwimmen.«
    Alles, um die Stunden bis zum Abend nicht zählen zu müssen.
    Auf dem Klippensteig traf ich ein paar Freunde. Sie spielten im Sand Volleyball und fragten, ob ich mitmachen wollte. Nein, danke, ich fühl mich nicht besonders. Ich schlenderte zu dem
großen Felsen, betrachtete ihn eine Weile und sah dann aufs Meer hinaus, das einen gekräuselten Sonnenstrahl direkt in meine Richtung zu schicken schien wie auf einem Bild von Monet. Ich
watete ins warme

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