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Ruge Eugen

Ruge Eugen

Titel: Ruge Eugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: In Zeiten des abnehmenden Lichts
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Restaurant.
    – Sascha, lass doch, sagte Kurt.
    Der Kellner ging Sascha hinterher, versuchte ihn, am Arm festzuhalten.
    – Bitte fassen Sie mich nicht an, sagte Sascha.
    – Bitte verlassen Sie das Restaurant, sagte der Kellner.
    Sascha setzte sich an einen freien Tisch, winkte Kurt zu:
    – Komm!
    Ein zweiter Kellner kam, kurz darauf ein dritter. Kurt verließ das Restaurant und wartete draußen. Nach einer Weile kam auch Sascha heraus.
    – Was soll denn das, warum bist du nicht reingekommen?
    – Du, ich hab keine Lust auf Skandal, sagte Kurt. Wir suchen was anderes.
    – Hier kommt nichts mehr. Das Peking ist schwul. Und die U-Bahn-Quelle hat höchstens Bockwurst.
     
    Sie gingen weiter Richtung Alex, jetzt auf der linken Seite der Schönhauser Allee. Kurt wartete eine Weile ab, bevor er die Frage stellte, die ihn seit fünfundzwanzig Minuten beschäftigte:
    – Was heißt denn eigentlich, dein Studium ist bereits beendet?
    – Das heißt, ich studiere nicht mehr.
    – Hast du deine Diplomarbeit fertig?
    – Ich schreibe meine Diplomarbeit nicht fertig.
    – Sag mal, drehst du jetzt vollkommen durch?
    Sascha schwieg.
    – Du kannst doch nicht hinschmeißen, so kurz vorm Schluss. Was willst du denn machen ohne Diplom? Auf ’n Bau gehen oder was?
    – Weiß ich nicht, sagte Sascha. Aber ich weiß, was ich nicht will: Ich will nicht mein Leben lang lügen müssen.
    – So ein Quatsch, sagte Kurt. Willst du sagen, ich lüge mein Leben lang?
    Sascha schwieg.
    – Du hast dir das Studium selbst ausgesucht, sagte Kurt. Niemand hat dich gezwungen, Geschichte zu studieren, im Gegenteil …
    – Du hast mir abgeraten, ich weiß. Du hast mir immer abgeraten! Von allem! Ich kann froh sein, dass du mir nicht abgeraten hast, zu existieren.
    – Jetzt red keinen Blödsinn, sagte Kurt.
    Aber der Gedanke schien Sascha zu amüsieren.
    – Ich existiere aber, rief er. Ich existiere!
    Kurt blieb stehen. Er versuchte, seine Stimme so unaufgeregt wie möglich klingen zu lassen.
    – Ich bitte dich, hör ein einziges Mal in deinem Leben auf meinen Rat. Du bist augenblicklich in einem labilen Zustand. Du solltest in einem solchen Zustand keine Entscheidung treffen.
    – Ich bin vollkommen klar im Kopf, sagte Sascha. Ich war noch nie so klar im Kopf wie jetzt.
    Sein Atem dampfte. Er schaute Kurt an. Da war er wieder: der irre Blick.
    – Gut, sagte Kurt. Mach, was du willst. Aber dann …
    – Was dann, sagte Sascha.
    Kurt fiel nichts anderes ein als:
    – Dann ist der Ofen aus.
    – Oho, sagte Sascha. Oho!
    – Du bist ja verrückt, sagte Kurt.
    Seine Worte gingen im Lärm des anrollenden Autoverkehrs unter, und Kurt sagte es noch einmal, schrie es noch einmal:
    – Du bist einfach verrückt!
    – Du, schrie Sascha und zeigte mit dem Finger auf Kurt, du rätst mir ab, Geschichte zu studieren, und bist selber Historiker! Wer ist hier verrückt?
    – Ah, schrie Kurt. Jetzt machst du mir noch Vorschriften, wie ich zu leben habe? Das ist wirklich der Gipfel. Wenn du mein Leben gelebt hättest, wärst du tot!
    – Ach, jetzt kommt das, sagte Sascha plötzlich ganz ruhig.
    – Ja, jetzt kommt das, schrie Kurt. Und obwohl der Verkehrslärm wieder abgeklungen war, schrie er weiter: Lebt wie die Made im Speck! Deine Mutter besorgt dir die Wohnung! Dein Vater bezahlt deine Autoversicherung …
    Sascha zog einen Schlüssel von seinem Bund ab und hielt ihn Kurt vor die Nase.
    – Hier hast du den Autoschlüssel.
    – Mensch, anderswo hungern die Leute, schrie Kurt.
    Sascha warf den Schlüssel hin, drehte sich um und ging weiter.
    – Ja, schrie Kurt, anderswo hungern die Leute.
    Der Wind pfiff.
    Eine Frau kam Kurt entgegen, machte einen großen Bogen um ihn.
    Wieder fuhr eine U-Bahn vorbei, jetzt Richtung Alex. Die Leute im Innern saßen reglos – wie Pappfiguren. So rollte die Bahn allmählich von der Hochbahnstrecke herab und verschwand in der Erde. Samt Pappfiguren. Zur Hölle, dachte Kurt, ohne zu wissen, was genau er damit meinte.
    Der Autoschlüssel, den Sascha ihm vor die Füße geworfen hatte, war im Schnee verschwunden. Kurt setzte die Brille auf. Der Schnee war schmutzig, vergilbt, Kurt scheute sich, mit der Hand hineinzugreifen. Er stocherte mit dem Fuß nach dem Schlüssel, fand ihn aber nicht. Schließlich tastete er doch mit den Händen danach – aber der Schlüssel war weg: zur Hölle.
    Kurt ging weiter. Ging seinem Sohn hinterher. Er ging zügig, aber rannte nicht. Von der Stelle an, wo die U-Bahnen unter der Erde

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