Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Klassiker zu ediren brauchen, und eine Anstellung und Anerkennung hätte ihm nicht gefehlt. Aber man sagt, das gilt jetzt nicht mehr viel. Da wandte er sich den jüngern Geistern zu, die aus der Natur, veralteten Poeten und der Mystik, Gott weiß welche Schätze zu graben vermeinten. Abgestandene Aufklärung nannten diese jungen Genies die Werke, durch welche jene Männer, die vor ihnen berühmt waren, ihren Ruhm gewonnen. Auf dem Wege war kein Platz mehr für sie zur Geltung zu kommen. Van Asten wollte auch ein Dichter sein.«
»Das hat er wieder aufgegeben, liebe Mutter. Er sagte mir, wer fühlt, daß seine Begabung für die Poesie nicht ausreicht, soll davon bei Zeiten abstehen.«
»Sehr vernünftig. Von der ganzen jungen Schule hat noch kein Einziger eine Anstellung erhalten. Herr Iffland will auch ihre Theaterstücke nicht zur Aufführung bringen. Es hat einen glänzenden Schein, mein Kind, aber es gilt nicht. Darum hat Dein Herr van Asten sich wieder auf Anderes geworfen. Er will ein selbstständiger Mann, ein Charakter sein. Er hat sich von seinem Vater getrennt, der ein angesehener reicher Mann ist, und will sich selbst sein Fortkommen verschaffen. Wenn es ihm gelingt hat er recht. Das ist die Aufgabe des Genies, aus sich heraus seine Welt sich zu erschaffen. Sein Anfang ist recht hübsch. Er tritt nicht auf wie ein junger Kandidat, der mit gekrümmtem Rücken um die Erlaubniß bittet, ein Wort mitsprechen zu dürfen, sondern er geht aufrecht und spricht wenig, kurz, aber entschieden. Das frappirt auch Vornehmere, und man fragt, wer er ist? Ich will ihm nur wünschen, daß es ausreicht. Aber ich fürchte, es wird nicht ausreichen. Gute Privatstunden geben, und dann und wann eine gute Abhandlung in den Journalen drucken lassen, damit erlangt ein junger Mann keine Bedeutung. Er thäte noch immer am gescheitesten, wenn er zu seinem Vater ins Komptoir zurückkehrte. Wenn man einmal der Erbe von van Asten und Kompagnie wird, kann man sich schon bequemen, ein paar Jahre am Ladentisch zu stehen.«
»Walter!«
»Dann würde er Dir wohl weniger gelten?«
»Das nicht, aber –«
»Vor den Leuten würde er an Geltung verlieren. Ach mein Kind, es steht Keiner so hoch, daß er nicht Alles verliert, wenn er vor den Leuten nicht mehr gilt; Kaufleute und Könige, Gelehrte und junge Mädchen. Warst Du etwa eine andere, als Du in dem schlechten Hause betroffen wardst? Benahmst Du Dich wie die Mädchen dort, trugst Du Kleider wie sie, blicktest Du frech die Männer an? Nichts von alledem, Du warst die tugendhafte sittsame Adelheid, die Du vorher warst und jetzt bist, aber Du galtest vor den Leuten für ein Mädchen wie die andern, und aller Deiner trefflichen Eigenschaften ungeachtet, wärst Du auf ewig verloren gewesen –«
»Wenn Sie nicht meiner sich erbarmt hätten.«
Man thäte der Geheimräthin Unrecht, wenn man glaubte, daß sie mit dem langen Eingang nur eine neue Dankopferung bezweckt habe. Im Gegentheil, sie liebte nicht Affectscenen, wo das Herz auf dem Präsentirbrett liegt.
»Ich habe nichts für Dich gethan damals,« sprach sie mit einer Ruhe, welche die Aufwallung entschieden zurückwies. »Du wurdest nur dadurch gerettet, weil der Zufall Dich in mein Haus führte. Das Deiner Eltern ist gewiß ein sehr ehrbares, aber Dein Vater und Deine Mutter haben wenig Umgang mit der Gesellschaft. Wenn Sie Dich auch noch so behütet und eingeschlossen, Du hättest doch einen Flecken behalten. Die Dich gekannt, wussten freilich, was Du warst, die Andern aber hätten gedacht: schade um das arme Mädchen, sie lebt nun so zurückgezogen, führt sich so sittsam auf, und thut alles was sie kann, den Verstoß wieder gut zu machen, sie ist auch vielleicht ohne eigene Schuld, aber sie war doch einmal in dem Hause, und das vergisst man nicht. So argumentirte der Legationsrath, und ich gab mich gefangen, und Deine Eltern endlich auch. Und hatte der Treffliche nicht Recht? Ist nun nicht Alles gut? Man reißt sich um Dich. Bist Du eine andere geworden als damals in der kleinen Wohnung am Gensd'armenmarkt? Habe ich Dich besser gemacht, erzogen? Ich bin weit von der Eitelkeit entfernt mir das anzumaßen; ich weiß sogar, daß Du ein Charakter bist, der sich eigentlich nicht erziehen läßt, der sich aus sich selbst herausbildet. Was Du nach meinem Willen thust, geschieht nur aus Dankbarkeit, und Du behältst noch Deinen Willen. Aber vor der Welt bist Du eine andre, Du giltst, ich sage nicht für tugendhast, davon ist nicht mehr
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