Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
respectirte er die Unwahrheit, die der Bediente auf Ihren Befehl sagte: ich sei nicht zu Hause. Johann hatte die Thür schon geöffnet, er brauchte nur den Fuß vorzusetzen, ihn mit dem Ellenbogen zurückstoßen und wenn er seiner Tollheit nachgehen wollte, war er Herr im Hause. Es mag in dem Augenblick auch so etwas in seinen Sinnen umgegangen sein. Die Arme auf der Brust gekreuzt, stand er eine Weile auf dem Flur und sein Auge schien in die Dielen zu brennen. Da hab ich auch einen Augenblick gezittert. Plötzlich rief er: ›ich werde sie ein ander Mal zu Hause finden!‹ und ohne sich umzusehen, stürzte er die Treppe hinunter. Es kann doch also keine böse Absicht sein.«
»Seine Absicht ist, meinem Hause einen Affront anzuthun. Es ist eine Beleidigung jetzt mir zugefügt. Sein Vater hat den Taugenichts zwar desavouirt, nichts desto weniger bleibt sein Vater der Herr Geheimrath Bovillard, der am Ende noch Gefallen daran findet, wenn sein ungerathener Sohn eine Dame insultirt, die er schon mit seinen Plaisanterien verfolgt. Aber das soll, muß anders werden. Wir werden einen Beschützer finden. Dein Erretter, der Legationsrath, der unglücklicher Weise bald nach jener Affaire Berlin verlassen musste, um seine Güter zu revidiren, wird bald zurückkehren. Er weiß, wie man uns Ruhe verschafft. Er ist jetzt der Mann, der gilt, der Stern der Gesellschaften, und ich hoffe von seinem Einfluß auf den alten Bovillard, daß er selbst endlich müde wird und den Vaurien auf gute Art aus der Stadt schafft.«
Die Lupinus hatte in ihren Eifer übersehen, daß Adelheid den Mund zu einer Mittheilung geöffnet: »Herr von Wandel ist ja zurück.«
Die Geheimräthin hätte jetzt ebenso Grund gehabt, in Adelheids Art etwas Auffälliges, eine Aufgeregtheit zu finden, aber weil sie selbst aufgeregt war, merkte sie es nicht.
»Er zurück! – Woher weißt Du das?«
»Als ich vor ihm – vor Jenem – in einen Laden flüchten wollte, trat er heraus.«
»Wandel – und – mein Gott, das Wichtigste sagst Du mir jetzt erst!«
»Ich war so überrascht, verwirrt –«
»Und –«
»Ja, was eigentlich geschehen, weiß ich nicht. Ich glaube, ich habe ihm die Hand gereicht.«
»Du glaubst –«
»Mama, ich glaube, ich hätte Jedem sie gereicht, der mir entgegentrat, es war eine Angst, ich sah nichts mehr vor mir.«
»Und der Legationsrath! – Haben sich Beide wiedererkannt?«
»Ich weiß es nicht. Der Legationsrath sah nur meine Angst. Aber dann hat er mich nach Haus geführt.«
»Er – Dich? Hierher? Wo ist er – Was sagte er?«
»Liebe Mutter, zürnen Sie mir, ich weiß nichts von dem Gespräch. Ich horchte nur immer, ich bebte, ob er noch hinter uns wäre. Er wird mich für sehr kindisch gehalten haben.«
»Ich will es Dir vergeben, weil Du beschämt warst, nicht mehr Muth gezeigt zu haben. Und vor dem herrlichen Mann, dessen Gegenwart schon Deine gesunkenen Geister erheben musste! – Aber mein Gott, wo ist er? Er hat Dich hergeführt. Warum kam er nicht mit herauf?«
Adelheids Geister waren nicht gehoben. Auf alle Fragen der Geheimräthin über ihren Begleiter, wusste sie sich kaum zu entsinnen, daß er beim Abschied gesagt, wenn er nicht zu einem Minister berufen, würde er sich sofort das Vergnügen gemacht haben, bei ihrer gütigen Pflegemutter anzusprechen. Adelheid ward mit dem Befehl entlassen, für ihre Toilette zu sorgen.
Die Geheimräthin war in sichtlicher Unruhe zurückgeblieben. Ihre Gedanken machten Kreuz- und Quersprünge. Wenn sie den Legationsrath präsentiren konnte, ihn, den neuesten Lion der Gesellschaft, den bewunderten, räthselhaften Mann, der aber als er, eine neue Sonne, aufgegangen, plötzlich wieder verschwunden war! Wenn er nach seiner langen Abwesenheit, zuerst in ihrer Gesellschaft wieder erschien! Wenn er jetzt anklopfen sollte, sein erster Besuch bei ihr? Wenn – Niemand kannte den geheimen Grund seines Aufenthaltes in Berlin, und welches Vertrauen hatte er grade ihr gezeigt, als ihn ein dringendes Geschäft plötzlich auf seine Güter rief! – Wenn er sich gedrungen fühlte, sie zur Mitwisserin seiner Ideen zu machen. Ihre Phantasie malte sich eine Reihe angenehmer Situationen, als eine kalte Frage dazwischenfuhr: Wird er denn überhaupt kommen? Hat er dem Mädchen nicht vielleicht etwas aufgebunden, nur um sie los zu werden? Ist er nicht vielleicht abgereist, um seine Verbindungen hier zu brechen? Er kehrt zurück, Gott weiß warum, aber nicht, um die wieder anzuknüpfen, deren er
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