Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
überdrüssig ist. Er ist ein Mann, der der Welt angehört, Berlin ihm ein Stationsort, um sich auszuruhen, nicht länger als nöthig, und die Personen, mit denen er umgeht, zum Zeitvertreib zu gebrauchen. Zum Thor hinaus, in der nächsten Stadt, hat er uns vergessen –
Aus diesem peinlichen Selbstgespräch riß sie ein fester Klingelzug und gleich darauf meldete der Diener den Legationsrath von Wandel.
Vierundzwanzigstes Kapitel.
Der Legationsrath.
Die Geheimräthin war in der Regel die Erste in den Kreisen, in welchen sie sich bewegt, sie war sich dieses Uebergewichts bewusst, dennoch glaubte sie den rohen Kitzel überwunden zu haben, welcher sich darin gefällt, dies Uebergewicht auch die Anderen empfinden zu lassen. Dem Legationsrath gegenüber fühlte sie diesen Zauberbann zerstört. Aber grade gegen eine geistige Uebermacht anzukämpfen, ist interessant. Eine Frau hat so viele kleine Künste, mit denen sie unbemerkt in das feste System des Mannes Bresche legt, wenn es der Mühe verlohnt.
Er stand auf der Höhe, wo man nur wenig auszugeben braucht, aber man reißt sich um die Münze, wie um eine Seltenheit. Dann sieht man auch wohl nicht immer genau nach, ob die Münze echt ist. Er saß nachlässig im Fauteuil, doch mit dem Anstand des vornehmen Mannes einer Dame gegenüber, die er auch dafür anerkennt.
Ihre Unterhaltung hatte sich weit entfernt aus den Kreisen, in welchen wir die Lupinus zu Hause wissen.
»Einer Frau von Ihrem Geist ist keine Region verschlossen, in die sie dringen will ,« hatte er auf eine Bemerkung der Geheimräthin erwidert, daß sie die Sphären des Staats für ihr Geschlecht wenn nicht unzugänglich, doch geschlossen halte.
»Man sagt uns doch so oft, wir sollen uns nicht aus unserer Sphäre verlieren.«
»Wer das uns auf sich beziehen will! Ist die Stael keine Frau! Mich dünkt, man braucht nicht so weit zu suchen. Sind nicht die höchsten Damen an unserem Hofe die eifrigsten Partisaninnen der Politik! Und wer sagt uns, ob nicht die ganze Politik der Zukunft in den Händen der Frauen ruhen wird!«
»O, wer in diese Zukunft blicken könnte, ob sie uns Aufschlüsse, Lichter, Befriedigung bringt, oder das alte Einerlei des Zweifels, der getäuschten Hoffnungen, der immer neuen Erwartungen, die nie erfüllt werden!«
»Die Zukunft, gnädige Frau, wird sein wie die Gegenwart, wenn wir sie nicht zu ergreifen verstehen.«
»Und wer ergreift diese! Wir Frauen scheinen wenigstens nicht dazu bestimmt.«
»Auch Frauen ergriffen sie und blieben Siegerinnen grade so lange als der Mann es bleibt, das ist so lange als er sich selbst beherrscht.«
»Die Enthaltsamkeit soll uns doch nicht zum Siege führen!«
»Die Kraft, das Ziel unverrückt im Auge zu behalten, die Wege, die die kürzesten und sichersten, nie zu verlieren und die Mittel zu handhaben, wie man Rosse zügelt und spornt, deren Natur wir kennen.«
»Das ist nur an den Männern.«
»Warum! Der Mann ist bei der Umfassenheit seiner Bildung, Bezüge zum Leben, weit leichter der Verführung ausgesetzt.«
»Das sind Paradoxien.«
»Nichts weniger. Er ist zugänglicher den Leidenschaften, weil er sie leichter befriedigen kann, dem Ehrgeiz, den Illusionen aller Art; und giebt er ihnen sich hin, hört er auf zu berechnen, verfolgt er eine Phantasie, ist er schon verloren. Das Weib in seiner anscheinend beschränkteren Sphäre kann ihre ganze Kraft weit leichter auf einen bestimmten Gegenstand concentriren, und wie sie den Mann beherrscht, wenn sie will, warum nicht die Welt!«
»Spötter!«
»Dem Weibe gab die Natur die seine Beobachtungskraft, die wir nur mit unendlicher Anstrengung uns aneignen, die Gabe aus Symptomen, die unserem in die Ferne schweifenden Blick entgehen, Seelenzustände, vergangene und künftige Begebenheiten zu entziffern. Vermag sie's, Herrin zu werden über ihre Neigungen, Vorurtheile, ihre Liebe und ihren Haß, ihre Impulse und abergläubischen Vorstellungen; vermag sie's, ihre Bestrebungen, ihre Liebe und ihren Haß auf größere Dinge zu richten, als den Untergang einer Rivalin, die Protektion eines Günstlings, dann, sage ich Ihnen, kann sie mit ihren außerordentlichen Mitteln Großes, Außerordentliches, warum nicht das Größte.«
Die Geheimräthin schwieg nachsinnend. Sie hielt es für den Moment geeignet, seitwärts abzuspringen: »Sie wollen die Begeisterung nicht gelten lassen,« sagte sie wieder aufblickend.
»Ich kann einen Trunkenen beneiden, aber nur so lange er es ist.«
»Damit
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