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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Bedauern, Mitleid?
    »Warum sich der Gesellschaft entziehen,
ma belle soeur?
« rief der Geheimrath Schwager, der zufällig aus einem hinteren Zimmer kommend, der Wirthin entgegentrat, als sie die beste Partie ergriff, weil kein Mensch sich um sie, sich auch nicht um die Menschen zu kümmern, sondern um die Teller und Tische.
    »Weil ich überflüssig bin,« war die kurze Antwort, mit der sie an ihm vorüberstreifte.
    Wenn er an Ton und Art noch nicht gemerkt, daß sie auch ihn für überflüssig hielt, ward er auf der Schwelle zum Saal daran gemahnt, als die Fürstin, am Arm des Legationsrathes, über diese Schwelle rauschte. Wenn es nicht grade mit dem Ellenbogen geschah, fühlte er sich doch durch Blick und Bewegung mit seiner ganzen Persönlichkeit bei Seite geschoben.
    Die Fürstin verließ die Gesellschaft. Den Legationsrath hatte sie gewürdigt, sie als Kavalier an den Wagen zu begleiten; aber nicht einmal eines Blickes würdigte sie den Mann, der vorhin ihre Liebenswürdigkeit ausposaunt. War er ein Anderer geworden? Sie gewiß! Einen Kopf größer schien sie ihm. Fort waren die Rollen der Liebenswürdigen, der nervös Irritirten, der Bescheidenen und der Schwärmerin geworfen, als Fürstin hielt sie ihren Ausgang.
    »Ach, unsere emsige Wirthin. Immer wie eine Biene für den Honig sorgend.«
    »Durchlaucht wollen uns doch nicht verlassen?«
    »Leider, eine heftige Migräne! O bitte, nehmen Sie nicht auf mich Rücksicht, Ich verschwinde wie ein Schattten, um Licht und Heiterkeit zurückzulassen.«
    Die Geheimräthin öffnete den Mund, um dagegen zu demonstriren, aber unwillkürlich kehrte ihr die Erinnerung an jene Gesellschaft vom vorigen Sommer zurück, – da war sie es ja, welche die Rolle der Fürstin gespielt. Sie verstummte. Migrainen sind oft angenehm für Die, welche sie vorschützen, nicht immer für Die, welchen Sie vorgeschützt werden.
    »
A propos!
« rief die Fürstin. »Herr von Wandel, nur einen Augenblick, zwei Worte mit unserer Freundin.«
    Sie zog diese bei Seite: »Wissen Sie schon, Jean Paul –«
    »Kommt nicht? Vielleicht hat er von einer Clairvoyanten gehört, daß er Fürstin Gargazin nicht mehr trifft.«
    »Nein, er kommt, aber in welcher Laune! Es ist mir wirklich recht leid. Nur Ihretwillen.«
    »Ist ihm etwas passirt?«
    »Er ward bei der Berg so lange aufgehalten. In der besten Absicht, denn wer konnte anders denken, bei der besonderen Vorliebe, mit der die Königin sich der Sache angenommen. Da um neun erst bringt der Fourier die Hiobspost.«
    »Eine Hiobspost!«
    »Der König will die Präbende nicht geben.«
    »Und Ihre Majestät die Königin hatte doch –«
    »Nichts gespart, was Klugheit und Liebenswürdigkeit vermögen. Bis acht Uhr gaben sie im Palais die Hoffnung nicht auf. Man passte nur auf den günstigen Augenblick und er schien gekommen. Majestät brachen eben ein Stückchen von dem Kuchen, den Sie besonders lieben, und versicherten, so vortrefflich sei er noch nie gebacken. Das benutzte Ihre Majestät, und der König lächelte ihr auch mit der liebenswürdigsten Laune zu, aber ebenso liebenswürdig schüttelten Sie den Kopf und sagten: Herr Jean Paul mag ein sehr guter Romanschreiber sein, aber darum ist er noch kein guter Domherr.«
    »Hat Ihre Majestät nicht Lafontaine's Beispiel eingewandt? Der hat doch auf ihre Vorstellung die Präbende erhalten.«
    »Ihre Majestät sind zu klug, um nach solcher Erklärung noch ein Mal anzufangen. Und es giebt Wichtigeres zu bitten.«
    »Der arme Jean Paul also gänzlich aufgegeben?«
    »Für Berlin verloren. Ich wollte Sie nur avertiren. Noch weiß Niemand hier davon. Sie thun also gut, liebe Frau, die Sache auch zu ignoriren. Die Verehrung für den Dichter hängt mit der Aufmerksamkeit zusammen, die ihm der Hof erzeigt. Erfahren Sie, daß der ihn aufgiebt, ist der Lustre fort.«
    »Nein, es gilt nichts mehr,« sagte die Geheimräthin bitter.
    »Es thut mir nur um Sie leid, aufrichtig, meine liebe Geheimräthin. So viel Embarras! Sie würden die Gesellschaft auch nicht gegeben haben, wenn Sie das voraus gewusst.
Adieu et au revoir!
«
    »Jean Paul kommt!« ging ein Gemurmel durch das Zimmer.
    Die Geheimräthin meinte, der Legationsrath hätte doch in zu ehrerbietiger Entfernung auf die Fürstin gewartet, als er sie hinausführte.
    »Fürstin Gargazin liebt Herrn Jean Paul nicht?« bemerkte Herr von Wandel, als er auf einen raschen Armdruck sie seitwärts in ein Zimmer geführt, damit sie dem Dichter, der die Treppe herauskam,

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