Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
–«
    »Das Nest! Erzähl' ihnen von den vornehmen Damen hier, auf die sie nicht mit Fingern weisen. – Dummheit, ward kein Mädchen dort verführt, lief keine mit ihrem Geliebten fort, und kehrte wieder? Du hast Dich mit ihm überworfen, und willst solide werden. In dem Beutel ist genug, damit kannst Du einen Putzladen anfangen. Putzen will sich Jede, auch in einem Nest. Vielleicht machst Du auch die Lehmkabache Deines Vaters damit schuldenfrei, und dann ist Alles gut.«
    »Adieu, Louis,« sprach sie, »ich danke Dir auch recht schön. – Ja es wird Alles gut werden.«
    Sie hatte sich nach dem Fenster umgewandt und stopfte heftig mit dem Finger die Erde im Resedatopf. Sie durchstach die Wurzeln.
    »Auf Wiedersehen!« sagte er, die Klinke in der Hand.
    Er sah sich noch einmal um. Die volle Gluth der Sonne fiel auf ihr Gesicht; dennoch war es todtenblaß, die Zähne klappten unmerklich unter den festgeschlossenen Lippen. Sie verließ plötzlich die Blumentöpfe und kam auf ihn zu, aber nicht stürmisch, sie zitterte nur etwas als sie sprach:
    »Ich muß Dir doch noch danken, lieber Louis, daß Du so gut warst, selbst zu mir zu kommen. Du hättest mir ja das Geld durch einen Andern schicken können und schreiben. Das wäre Dir viel leichter geworden. Du hast es Dir nicht leicht gemacht, um mir noch eine Freude zu machen. Das nehme ich dafür, daß Du mir doch gut bist. Gott lohn' es Dir.«
    Sie schüttelte ihm die Hand; er drückte einen Kuß auf ihre eiskalte Stirn.
    »Also – ich komme wieder,« sagte er, auch seine Stimme schien zu zittern.
    »Nimm Dich nur in Acht auf der steilen Treppe, daß Du nicht fällst.«
    Sie sah ihm nach. Als sie die Thür zudrückte, vergingen ihr die Kräfte. Sie wollte nach dem kleinen alten Sopha, sie streckte die Arme danach aus, aber sie kam nur bis in die Mitte der Stube. Mit einem erstickten Schrei schlug sie besinnungslos auf die Dielen.
    »Daß uns das Abschiednehmen so schwer gemacht ist! Selbst dieses!« sprach Bovillard für sich auf dem Rückwege. »Und doch, woraus besteht das Leben? Nur aus einer langen Reihe von Trennungen. Jeder Moment der Abschied von dem vorangegangenen. Und die Menschheit erfand sich keinen anderen Trost, als die Illusion des Wiedersehens. Als ob je Einer wiederfand, was er verließ! Den Trunk aus dem Becher, den süßen Blick, den Kuß, den sprudelnden Witz? Und wenn es stehen geblieben, kein anderes geworden wäre, so wär's ein abgestandener Wein, eine ekle Wiederholung. Und des Daseins Losung bleibt doch – weiter! Bis – und da hoffentlich auch weiter.«
    In seiner Stube fand er zwei versiegelte. Briefe. Ein verächtliches Lächeln schwebte über seine Lippen, als er den ersten durchflog. Er zerriß ihn: »Dacht' ich's doch!« Er öffnete den zweiten, ihm widerfuhr dasselbe Schicksal: »Eine Kopie. Süße Harmonie edler Seelen! Sie hätten das doppelte Schreiben sparen können.«
    Seine beiden Sekundanten, die endlich zugesagt, nachdem er vergebens bei andern angefragt, mussten mit dem größten Bedauern sich wieder lossagen, der Eine wegen einer unvermeidlichen Dienstreise, dem Andern war eine zärtlich geliebte Schwester erkrankt.
    »O diese zärtlichen und pflichteifrigen Menschen! Könnten sie nicht auch aus Diensteifer für das Gemeinwohl, aus Zärtlichkeit für unsern zartpulsirenden Staat, Hülfe leisten wollen, wo ein verrufener Raufbold aus dieser harmonischen Gesellschaft ausgestoßen werden soll! Zittern sie vor Angst, daß man sie für meine Freunde hält! – Jülli hat Recht, es giebt Momente, wo man noch Freunde braucht – zum Sterben. Sonst –« er wog seine Pistolen in der Hand – »sind das die zuverlässigsten Freunde, und einen von uns Beiden, wenn nickt Beide, liefern sie ins Jenseits ohne viele Umstände. Aber auch dazu fordert man Umstände!«
    Er ging aus, sich einen Sekundanten zu suchen! Wen? – Er sann umsonst nach. Den ersten besten, der ihm auf der Straße nicht ausweichen würde, mit einem Gesicht, auf dem geschrieben stände: Tritt mir nicht in den Weg! Der Zufall führte ihn in das Haus wo Walter van Asten wohnte. Er blieb zaudernd stehen. Schon wollte er, kopfschüttelnd, weiter, als er den Thorweg geöffnet hatte: »Er war in Halle ein guter Schläger, und als Senior der Marchia stand ich ihm oft zur Seite. Er ist mir noch Revanche schuldig und solche Auffrischung unter seinem Bücherstand wird ihm ganz zuträglich sein.«
    Die Freunde hatten sich lange nicht gesehen. Walter sah jünger, frischer aus.

Weitere Kostenlose Bücher