Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
male, wer meißeln, meißle in Stein, das Auge aufreißen vor der Gefahr! Und rasch, denn sie rückt mit Riesenschritten näher, sie ist nicht zu ermessen, wir stehen an einem Abgrunde, der Alle verschlingt. Und aus diesem Grunde heraus, könnten wir eine Festung bauen, unnehmbar! Jetzt das Volk aus seiner Erstarrung, seiner Gleichgültigkeit, seiner Entfremdung gegen das Höchste und Heiligste auf Erden, jedes Glied zum mitfühlenden Glied der großen Kette zu erheben, Volk und Fürst in Eins zu verschmelzen, das wäre die Aufgabe des Gesendeten. Ich sehe ihn nicht, Du siehst ihn nicht, Keiner sieht ihn, aber ist er darum nicht da? Hat nicht Jeder, dem ein Funken durch die Adern zuckt, die Aufgabe, Steine dem künftigen David zuzutragen? Wenn er die Steine sieht, wird er nach der Schleuder greifen.«
Louis Bovillard hatte ihm mit verschränkten Armen zugehört. Die Wimpern der schönen Augen zuckten zuweilen auf, und warfen ihm einen theilnehmenden Blick zu. Aber die Saiten seiner Seele waren nicht gestimmt für die Töne, die Walters Bogen strich. – Er schwieg einen Augenblick, dann entstieg ein gähnender Seufzer der Brust, der Kobold sah auf der Lippe und griff das letzte Wort auf: »Zum Steinewerfen haben sie allenfalls noch Muth, wenn's auch nicht Schädel trifft, doch Fensterscheiben. Wenn nicht die des französischen Gesandten, doch der Schauspielerin ihre, die er unterhält.«
Walter sah ihn wehmüthig an: »Haften, schweben, kräuseln denn Louis Bovillards sämmtliche Gedanken heut nur noch bei den Gensd'armerie Offizieren? Der Louis Bovillard, der einmal auf der Windsbraut reitend, nach den Strahlen der Sonne griff! Und heut noch an Persönliches sich klammern, in einer Zeit, wo der Einzelne nur Lust zum Athmen findet, wenn er sich versenkt ins Allgemeine.«
»Das ist Lüge, glaub's mir, pure Lüge. Wir kriechen nicht aus unserer Haut. Es ist alles persönlich, unser Appetit und unsre Begeisterung, unser Haß und unsre Liebe. – Auch Dir ist was Angenehmes im Traum begegnet, darum träumst Du jetzt für die Menschheit und für den Staat Seiner Majestät des Königs von Preußen.«
Der frohe Zug um Walters Lippen, sein heller Blick sprach für Louis Behauptung. Ein deutliches Ja beantwortete sie: »Ich träume einen schönen Traum, und darum gehe ich mit Muth an mein Werk.«
»Laß es aber nicht drucken,« sagte Bovillard.
»Warum?«
»Es sind verteufelt gute Gedanken darin; gedruckt sind sie Allgemeingut. Irgend einer schmeißt sie etwas um, gießt seine Sauce drauf. So laufen sie durchs Publikum und Du gehst Deinen Prosit quitt.«
»Sie sollen wirken. Auf diesem Wege gelangen Sie an ihr Ziel. Wenn auch verrückt, verfälscht, es haftet etwas. Will ich etwas für mich?«
Bovillard sah ihn scharf an, und sagte: »Ja!«
Walter erröthete.
»Du willst wirken, das heißt selbst eine Wirksamkeit haben. Zünden Deine Gedanken, so wärst Du ein Narr, wenn Du am Feuer nicht Deinen Topf wärmen wolltest. Du hoffst noch und hast ein versöhnlich Gemüth. – Purpurrother Freund der Wahrheit, wenn Du im Amte bist, lerne Dich etwas verstellen, nur zum Besten des Allgemeinen, in das der Einzelne sich versenken muß . Wer dem realen Staat dienen will, muß lügen können.«
Walter hatte nicht gesehen, wohin Bovillard sah. Indem er ihn zu fixiren schien, hatte er über seinen Kopf weg auf der Wand einen Kranz vertrockneter Kornblumen entdeckt, die künstlerisch mit einem blauen Bande verschlungen waren.
»Und außerdem bist Du verliebt, und wünschest eine anständige Versorgung, um heirathen zu können.«
Die Purpurröthe auf Walters Gesicht wich einer Blässe, doch nicht auf lange. In seinem Auge sammelte sich wieder der milde Glanz der Zuversicht von vorhin.
»Weshalb vor dem Freunde ein Geheimniß. Ich liebe und ich hoffe. – Nun schütte Deine Philippica aus gegen meinen Egoismus, ich will versuchen, ob ich dem Hagelschauer widerstehe und doch noch etwas von mir rette –«
»Wenn wir auch ein verschieden Facit zögen, die letzte Rechnung schließt Jeder doch nur mit sich ab. Du thust recht. Dir steht's an der Stirn geschrieben, daß Du zum guten Bürger geboren bist, an meiner stand etwas von Kains Zeichen? Hast Du Dich mit Deinem Vater ausgesöhnt?«
»Unsere Trennung ist wohl keine fürs Leben.«
»Fandst Du die Cousine, Mamsell Schlarbaum, jetzt liebenswürdiger?«
»Ein gutes Mädchen, aber noch weniger, als der Dichter in ihrer Brust einen Widerhall gefunden hätte, würden es die Töne,
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