Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
gesagt?«
»Daß ich einen festen Arm habe, einen sichern Blick, daß meine Kugel nie geirrt; daß – das wilde Blut des Leidenschaftlichen nicht zielen kann, und – so gewiß Sie vor mir stehen, ich werde nicht fallen . Ich habe Ihnen noch mehr gesagt, mit kaltem ruhigem Blute werde ich ihn zu Boden stürzen sehen. Das Bewusstsein, die Gesellschaft von einem Ruhestörer zu befreien, wird mir Befriedigung sein – wenn es dazu kommt!«
»Aber –«
»Weil der Zufall dämonisch ist, schrieb ich das auf.«
»Mein Freund, was soll ich mit Ihrem Testament?«
»Es lesen – annehmen, oder verwerfen.« Er wollte mit abgewandtem Gesichte hinaus.
»Nicht so! Ich muß wissen, ob ich nichts Gefährliches im Schrank verschließe.«
»Gefährliches! – Ich hatte eine Freundin, eine theure Freundin, sie war mein Alles, ich war es ihr. Sie verstand mich, sie ging nicht in meine Ideen ein, sie ging ihnen voraus –«
»Angelica, Ihre Gattin –«
»Auch dies äußere Band sollte das unlösbare unserer Geister befestigen, – wenn das nöthig, sagen Sie möglich gewesen wäre! – als eine andere rauhe Hand es zerriß. In ihrem Testamente hatte sie mir ihr Vermögen hinterlassen, mit den Worten: ›es ist ja nicht meines, es ist Deines, denn was mein war, war Dein, ich war Du, Du ich. Wirke es in Deiner Hand für mich. –‹ Sollte ich es etwa nun nicht annehmen, weil die Verwandten lamentirten und Gott weiß was für Klagen wegen Uebervortheilung, Erbschleicherei, vorbrachten? – In ihrer Hand war es vergeudet, in meiner lebte es zu den großen Zwecken der Seligen. – So wird auch meine Freundin keinen Anstand nehmen, wenn ich das mir Anvertraute ihr wieder vertraue. Sie kannten mich, Sie wissen, was damit zu wirken, und wenn die Spanne Zeit zu kurz war, um unsre Geister ganz in einander aufgehen zu lassen – in dem Papiere – wozu Schrift, wo der Geist lebendig bleibt! Ihrer wird klären, wo es dunkel scheint; wo es dunkel ist, werden Sie Licht bringen. Die Verwaltung meiner Güter braucht Sie nicht erschrecken, es ist dafür gesorgt. Verwandte werden Sie nicht stören, die Welt der Blutsbande ist hinter mir in aschgraue Nebel versunken, – ich stand allein in dieser – die Zukunft war mein Reich – ich hoffte vielleicht neue – doch wozu das! Pfui über diese angeborne Natur, die uns immer wieder in die Sackgasse der Sentimentalität treibt.«
»Wie komme ich dazu?«
»Wie! –« Er lächelte. »Nein, Sie sind im Recht, Sie mussten sich darüber täuschen; es musste Sie frappiren, daß ich in erster Zeit mich in scheuer Ferne hielt. – Ach die Entschlafene schwebte ja noch immer an meiner Bettwand – und wer ist stark genug, wenn er eine Doppelgängerin sieht. – Aber seit auch der Geist der Seligen nicht todt ist, seit – genug. Wir werden uns ganz verstehen lernen, und wenn nicht, wenn unter einem schrillen Accord Sie plötzlich die Saiten springen hörten, dann – würden sich unsre Geister erst recht gefunden haben.«
Mit einem langen, brennenden Kuß auf ihre Hand war er rasch verschwunden.
Sie betrachtete eine Weile die Hand. Entweder weil sie brannte, oder weil sie zitterte, oder fragte sie sich, warum denn die Schwägerin auf ihrem Sterbebette gesagt, daß sie spitze Finger hätte?
Vierunddreißigstes Kapitel.
Im Grunewald.
»Sie waren zu eilig.«
»Ich lasse nie auf mich warten,« entgegnete der Legationsrath dem noch sehr jungen Manne, welcher diese Frage that, und dessen Aeußeres unverkennbar den Franzosen verrieth; wir setzen hinzu: den Diplomaten, wenn gleich die Diplomatie jener Zeit noch nicht ganz wieder die Parure der untergegangenen angenommen hatte, und die moderne noch nicht erfunden war.
Der junge Franzos stand unter einem Baum. Zwei Paar Pistolen lagen auf einem über dem Erdreich ausgebreiteten Mantel, daneben eine Pulverbüchse, ein Kugelbeutel und was sonst zu den Vorbereitungen eines Geschäfts gehört, welches unzweifelhaft am Ausgange des Kieferwaldes im Werke war. Die Pistolen waren noch nicht geladen; der junge Mann, prüfte, den Hahn abdrückend, die Schärfe der Feuersteine. Sie schlugen helle Funken, Alles war im guten Stande.
Der Legationsrath ging mit gemessenen Schritten unter den Bänmen auf und ab. In der Ferne hinter dem Kieferngebüsch, in welches der hochstämmige Nadelwald auslief, bemerkte man eine leichte Kalesche, vor der zwei muthige Hengste ungeduldig den Sand stampften.
Der Legationsrath sprach ab und zu, wenn er vorüber kam, seinen
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