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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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hatte Grund gehabt, rasch die Brieftasche zu schließen, denn wenn der Attaché einen Blick hinein gethan, würde er nur ein leeres Blatt gesehen haben. Wandel las aus der Luft; vermöge seines außerordentlichen Gedächtnisses konnte er den kaum aus dem Munde des Attaché vernommenen Brief fast Wort für Wort recitiren.
    Der Vicomte blies die Melodie eines neuesten Chansons in die Luft, nicht ganz mit sich zufrieden, als der Legationsrath auch unzufrieden zurückkehrte, und versicherte, daß er auch von der Höhe, wo man die Straße übersieht, keinen Staub entdeckt habe.
    »Ich denke so ungern Uebles von meinen Gegnern,« sprach er nach einer Weile vor sich hin.
    Der Attaché summte sein Lied fort und lud dabei eine Pistole.
    »Was wollen Sie thun, Marvilliers?«
    »Die Krähe da vom Ast putzen.«
    »Warum?«
    »Mich zu amüsiren.«
    »Verzeihung, wenn meine Meditationen Sie langweilten. Indessen wer mit einem Schritt am Rande der Ewigkeit steht –«
    Der Franzose lachte auf: »Würde nicht zuschnappen wie ein Hayfisch nach einer politischen Neuigkeit, die er auf der Stelle gern an den Mann brächte, oder richtiger gesagt an eine Dame. Denn zu
madame la conseillère
in der Jägerstraße reiten Sie doch gewiß, wenn die Affaire hier beendet, auf Flügeln der Liebe.«
    »Herr Vicomte!«
    »Ich soll mich doch nicht durch die Hengste da täuschen lassen! Sie denken nicht nach Sachsen, Sie denken nicht zu sterben. Sie wollen leben bleiben, hier bleiben und sich amüsiren.«
    »Ich habe allerdings, wie ich Ihnen sagte, das Präsentiment, daß ich von seiner Kugel nicht fallen werde.«
    »Solche Präsentiments in Ehren, aber was Ihren Geschmack anbetrifft –«
    »Mein Herr!«
    »Sie wollen doch nicht mit mir eine Kugel wechseln! Da Sie das Präsentiment haben, leben zu bleiben, müsste ich fallen, und wenn ich fiele, was würde aus den Liebesbriefen, die ich zu bestellen habe, aus den Seufzern, die ich affektiren, aus den Vermummungen und Händedrücken, die ich am stillen Abend effektuiren soll? Parbleu, Herr von Wandel, wissen Sie, daß Sie mir einen Kriminalprozeß auf die Schultern laden? Das wird ja eine Halsbandgeschichte. Wie die La Mothe können Sie mich an den Pranger stellen. Solche Komödienfarcen
en vue
und ich soll glauben, daß Sie an den Rand der Ewigkeit denken!«
    »
Ce ne sont que des services d'amitié.
Nichts von Eigennutz.«
    »Eigennutz, ein abscheuliches Wort, wo wir nur
des intérêts
kennen. Von Interessen und Nutznießung ist die Rede,
est-ce qu'on parle d'un mariage
–! Und warum einem Fremden, dem Rittmeister, ein Glück aufdringen, und mit dreifacher Anstrengung, was Sie mit halber Anstrengung selbst genießen könnten! Und eine
beauté sans pareille pour s'amuser,
und ein Leierkasten, den man nur zu stimmen braucht, und er flötet Liebeslieder, wie Sie wollen von Dur bis Moll. Warum denn nun für einen Dritten ihn stimmen. Ein Götterspaß, ein solches Weib für sich schmachten lassen, nachlaufen, unsre Schulden bezahlen; um einen freundlichen Blick abzustehlen, in Schleier und Enveloppe auf unsre Stube schleichen, um sich zu erkundigen, warum wir uns so lange nicht sehen ließen, ob wir unpässlich sind, grollen? Denken Sie sich, sie zündet Ihnen die Pfeife an. Ist das nicht auch für die Phantasie eines Deutschen ein entzückender Gedanke!«
    »Ist das schon die Libertinage Ihres neuen Hofes!«
    »Alt wie die Welt ist das Vergnügen. Etwas jünger vielleicht die Kunst, es sich so pikant zu machen, als möglich.«
    Der Legationsrath nahm ihm mit einer entschiedenen Bewegung die Pistole aus der Hand: »Schießen Sie nicht nach Krähen, wo es eines Menschen Leben gilt. Vicomte, ein guter Jäger schießt nur auf ein bestimmtes Ziel, Dilettanten feuern auch nach Sperlingen. – Halt! sie kommen.«
    Um die Waldecke flogen Staubwirbel auf. Ein Reiter sprengte in gestrecktem Galopp heran. Er winkte ihnen schon von fern.
    »Das ist nicht der Rittmeister; er ist in Civil.« –
    »Wenn ich recht sehe,« sprach Wandel, »sein Neffe, der Kornet.« –
    »Machen Sie sich aus dem Staube, meine Herren!« rief der Reiter. »Wir sind abgefasst. Schon vorm Jagdschloß. Alles verrathen.«
    »Ich fliehe nicht.«
    »Wie es Ihnen beliebt. Bovillard wird nach der Stadt gebracht. Ich fürchte mein Oheim auch. Ich schwenkte, ehe sie mich erkannt, um Sie zu avertiren.«
    Der Vicomte sah den Legationsrath fragend an, als der Reiter bereits in der Schonung verschwand.
    »Packen Sie die Pistolen ein, wenn's Ihnen

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