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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Dinge erfahren, die ihn überraschten, die neuesten Neuigkeiten des heutigen Mittags. Wenn er die Ueberraschung auf seinem Gesichte verrieth, so merkte wenigstens der Attaché nichts davon, und es stellte sich auf dem eisernen Gesichte das feine Lächeln der Ueberlegenheit wieder ein, wie des Meisters, der einen Schüler auf die Probe gestellt hat, als er im gleichgültigem Tone sagte:
    »Die Feldkessel wurden beim Gouverneur schon eingepackt, als ich vorhin ansprach. Das wird keine ernste Campagne werden. Die Ansichten, welche in der gestrigen Ministerkonferenz siegten –«
    »Kennen wir!« unterbrach der Attach.
    »Ich zweifle nicht an der Divinationsgabe des Herrn von Laforest. Indessen sind hier Viele so glücklich, diese Ansichten im Allgemeinen zu kennen.«
    »Und wir im Besonderen . – Was sehen Sie mich so verwundert an, Herr von Wandel? – Ich meine das Circularschreiben an die Gesandtschaften nach Wien und Petersburg.«
    Es war in der That ein so skeptischer Blick,
de haut en bas,
wie ein Duellant seinen Sekundanten nicht anzusehen pflegt, als der Legationsrath, die Hand auf die Schulter des Vicomte legend, sprach: »Ja, Herr von Marvilliers, die diplomatische ist eine angenehme Karriere für einen Anfänger, wenn man uns nur nicht immer die Brosamen vom Tisch als Geheimnisse aufpackte. Wenn Ihr Gesandter eine Kopie dieser Rundschrift sich zu verschaffen gewusst hat, so versichere ich Sie, er chiffrirt sie selbst um Mitternacht bei verschlossenen Thüren und in Charakteren, wozu – kaum Talleyrand den Schlüssel hat.«
    Der Attaché fühlte sich gar nicht angenehm durch die Armauflegung des Legationsrathes berührt. Mit einer raschen Bewegung hatte er die Brieftasche aus der Brust gerissen und sich zugleich des Armes entledigt, zu dessen Stütze er keinen Beruf fühlte. »Hier hören Sie!« Er las von einem Papier:
    »Sie werden bemerklich zu machen haben, Preußen sei von Frankreich noch nicht beleidigt, im Gegentheil bei der Theilung Deutschlands gut bedacht worden. Warum solle man einen Krieg beginnen, nicht für sich, sondern für Andere? Die Verbindung, werden Sie einfließen lassen, mit Oesterreich und Rußland habe Preußen nie Segen gebracht. Sollte es vom Rhein her angegriffen werden, finde es in seinem eigenen, unüberwundenen Heere hinlängliche Vertheidigungsmittel. Schön sei es allerdings für Freunde zu kämpfen, und wenn man für Freunde, so kämpfe man für sich selbst; nur sei es Schade, daß Niemand in Deutschland so recht wisse, wer Freund und Feind sei. Und wer danke uns denn unsre Erhebung? Vielmehr fordere Klugheit und Gerechtkeit: Zurückziehen in sich und Beobachtung strenger Unparteilichkeit. – Die Demonstrationen, die wir machen werden, seien nur bestimmt, um die Stimmung im Volk zu beschwichtigen. Hannover würden wir nicht besetzen, aber keinen Durchmarsch der vom König von Schweden in Stralsund gesammelten Truppen gestatten, auch nicht den Durchmarsch der Völker Seiner Majestät des Kaisers von Rußland durch Schlesien, um Oesterreich Hülfe zu bringen, und ebensowenig den von Truppen des französischen Kaisers, durch welche Provinzen unsres Staates es sei, um einen Angriff gegen die Staaten Seiner Majestät des Kaisers von Oesterreich zu effektuiren, wir würden vielmehr jedes Unternehmen der Art als
casus belli
betrachten, getreu dem so lange bewährten Grundsatz unseres Staates, unsre Unterthanen vor jeder Unruhe, von innen wie von außen zu bewahren.«
    »Ich habe es selbst chiffrirt,« setzte der Vicomte hinzu, das Papier wieder einsteckend. Die triumphirende Miene des jungen Mannes verzog sich, als er das lauernde Gesicht des Legationsrathes sah, der mit angestrengter Aufmerksamkeit, das Auge halb zu, das Ohr vorgebeugt, hingehorcht, hatte sich induciren lassen. Wandel hatte indeß ebenso schnell sein Gesicht in die gewohnten Formen zurückgezwängt, und auch er zog die Brieftasche heraus, hielt sie vor's Auge und las – fast wörtlich dasselbe, was der Vicomte gelesen. Gleichgültig schloß er nach dem letzten Worte den Stahldrücker und steckte das Etui in die Brusttasche:
    »Ich wollte Ihnen nur zeigen, daß es auch andere Quellen giebt, um aus den preussischen Staatsgeheimnissen zu schöpfen. – Nun aber wünschte ich wahrhaftig, daß die Herren sich beeilten. Ich hatte mir mit dem Englischen Gesandten ein Rendezvous in der Oper gegeben.«
    Er wandte dem Sekundanten den Rücken, um mit raschen Schritten wieder einen Streifzug durch die Bäume zu machen. Er

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