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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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nicht Minister bin, und die Depeschen sind nicht an mich.«
    Louis war noch um einen Schritt näher getreten, er hatte des Vaters Arm ergriffen, er sah ihn mit einem Blick an, den der Geheimrath nicht ertrug:
    »Wenn ihr Kind ins Wasser fiel, springt die Mutter nach, auch wenn sie nicht schwimmen kann. Der Naturtrieb ist's, sie kann nicht ohne das Kind leben; sie will mit ihm untergehen. Hier handelt sich's um Untergang; unser Vaterland geht an der Donau unter. Wie Gebirgsbäche nach einem Platzregen ein Thal überschwemmen, so stampfen des Feindes Hufen auf unserm eignen theuren vaterländischen Boden die Quellen auf. Aus unserem Blut, aus unseren Brüdern rekrutirt er sein Heer. Der Baier zieht mit ihm, wie der Schakal dem Löwen folgt, Baden ist längst gezwungen; in diesem Augenblick, der Courier bringt die Nachricht, schließt auch Würtemberg sich an; die Kleinern, die Größern, die Größten reißt er, er reißt alle mit sich. Nur wir glaubten uns von besserer Natur, zu groß, wir schrieben Friedrichs Namen mit Ellenbuchstaben an unsre Grenze. Da liegt die falsche Rechnung. Eine Tradition war's, ein Nebelschild, ein Dunstbild. Seine Sappeurs haben unseren Grenzpfahl niedergehauen, seine Kanonen rollen, seine Reiter sprengen darüber. Der schwarzweiße Pfahl liegt im Graben, der Adler zertreten, es giebt keine preußische Grenze mehr, es giebt kein Preußen mehr, wenn wir das ruhig hinnehmen.«
    »Wenn das Faktum sich als richtig ausweist, wird Preußen wegen des Grenzpfahls Satisfaktion verlangen. Dessen darf man sich versichern.«
    »Und der große Kaiser,« fiel Louis ein, »wird sie ihm gewähren, o gewiß eine glänzende Satisfaktion, wenn wir ruhig bleiben und uns nicht kümmern um was uns nichts angeht. Er wird uns auf seine Kosten einen neuen Pfahl aufstecken lassen. O es wird ihm eine Lust sein, uns Grenzen zu stecken. Wenn wir ihm nur Zeit lassen, unsere deutschen Brüder zu erdrücken und erwürgen, lässt er uns auch wohl zur Genugthuung die dummen Sappeure füsiliren, die's gethan. – Seine Bülletins werden uns cajoliren. O süße Harmonie der Geister, wenn das ganze Deutschland zertreten ist, Oesterreich ins Herz gestoßen, verblutet, wenn uns dann der große Kaiser belobt, wegen unserer weisen Mäßigung. – Nur jetzt fordern Sie nicht, mein Vater, jetzt hat er anders zu thun. Seine Kolonnen wälzen sich, schwarze Rauchsäulen, über das blühende Schwaben und Franken, er durchbricht die Donau, die Feuerschlünde und die Bajonette, die Roß und Mann, die es ihm nehmen sollten, er umzingelt Mack und den Erzherzog. Von Schwaben aus, von Franken, von den Alpen her, umgarnt, eisern umarmt schon, ist die österreich'sche Armee durch eine Uebermacht, gegen welche die Tapferkeit umsonst ist, wenn keine Hülfe erscheint. Ja bei Nördlingen oder Ulm ist's vielleicht schon in diesem Moment entschieden, und wir – wir sehen zu und schlafen.«
    Der Geheimrath hatte sich ganz wieder gewonnen.
    Du weißt, ich liebe nicht Exaltation, am wenigsten in Staatsangelegenheiten.
    Er hatte sich auf einen Stuhl niedergelassen und fuhr mit einem Tuch über seine Stirn: »Wer leugnet, daß unsre Lage kritisch ist. Sie ist sehr bedenklich; ich will ernsthaft mit Dir sprechen, weil ich aus Deinem Affekt heraus sehe, daß es Dir ernst ist. Es ist mir nicht unlieb, denn wer weiß, was noch kommt, wo Ernst noththut. Wir haben uns täuschen lassen, es ist sogar möglich, daß wir nicht zu rechter Zeit uns entschieden, uns nicht bei Zeiten wahre Alliirte verschafften. Es ist noch schlimmer, daß wenn wir es jetzt wollten, man uns nicht mehr traut. Ja ich fürchte, Napoleon grollt uns im Innern mehr als einem seiner Gegner. So ist's, mein Herr Sohn,« rief er aufstehend, »ja so ist es. Und weil es so ist, dürfen wir grade jetzt nicht anders handeln, als wir gehandelt. Sollen wir, wo das Schicksal von Europa auf der Messerschneide schwebt, mit einem Mal außer uns gerathen, uns selbst verlieren, und dem Theil, der auf dem Punkt steht, zu verlieren, uns in die Arme werfen! Wir gingen mit ihm unter.«
    »Wenigstens wäre es ein männliches Ende –«
    »Eines, das sich selbst verloren giebt. So weit sind wir noch nicht. Aber wir sind in einer Lage, wo man nicht vorsichtig genug sein kann, wo man behutsam jeden Schritt, jedes Wort, jeden Blick, den Hauch des Mundes abwägen muß. Unsere Politik ist, und kann, sie darf nicht anders sein, als hinzaudern, abwarten, wie draußen die Würfel fallen –«
    »Das ist Ihre Politik,

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