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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Vater!«
    »Aller Vernünftigen. Sieh Dich um und höre die Stimmen in Berlin –«
    »Das Ihre vernünftigen Freunde demoralisirt haben. Die Krämer- und Schreiberseelen zittern freilich vor jedem Feuerhauch. Er könnte diese Stickluft in Brand stecken. Ihr Ich ist ihr Vaterland, die Kunden, die morgen ausbleiben, wenn die Kriegstrompete schmettert, sind ihre Brüder. Aber die Provinzen, das Land urtheilt anders. Auch hier –«
    »Giebt es Brauseköpfe, wie Du, Phantasten, Patrioten, leider sehr hohe und sehr gefährliche darunter, die das Schicksal des Staats auf eine Karte setzen möchten. Das Blut von Tausenden ist ihnen nichts, der Wohlstand und das häusliche Glück von Millionen, die Verwüstung und Vernichtung des Landes auf eine lange Zukunft hinaus, wenn sie nur ihrem Götzen Ehre opfern können. Der Krieg ist ihnen ein ritterliches Spiel, und um einzuhauen, um Lorbeeren zu ernten, als Sieger zurückzukehren –«
    »Genug, mein Vater,« sagte Louis Bouvillard und nahm das Portefeuille vom Tische. »Sie wollen nicht. Diese Depeschen sollen noch ruhen, wie des Königs Minister bis – es morgen zu spät ist.«
    »Halt! mein Sohn, was ist denn zu spät? Ich habe Alles zwischen uns vergessen und rede wie zu Einem, der mir gleich ist. Dieser Courier bringt uns nichts Neues. Verstehe mich wohl, wir sahen, was jetzt geschehen ist, seit Wochen voraus. Es konnte nicht anders kommen. Seit acht Tagen erwarteten wir jede Stunde, daß es geschehen wird. Wir waren darum nicht müßig. Der weise Vorschlag, daß unser Staat, was er nicht ändern konnte, freiwillig zugebe, die Erlaubniß des Durchmarsches für alle kriegführenden Mächte, scheiterte leider. Wir sannen auf Anderes. Ehe das Auskunftsmittel gefunden ward, ist das Uebel eingetreten–«
    »Das zum Himmel schreit«
    »Die Diplomatie hat Mittel, die Schreier stumm zu machen. Nur weil die Hitzigen hier das Oberwasser hatten, war die Ausgleichung verspätet. Wir haben noch nichts an unserer Ehre verloren, wenn Bernadotte's Einbruch von Napoleon als ein Mißverständniß desvouirt wird. An der Bereitwilligkeit dazu wird es ihm nicht fehlen, denn mit dem Siege an der Oberdonau hat er weder Oestreich noch Rußland vernichtet. Es kann ihm nicht gleichgültig sein, wenn Preußen mit seiner ganzen Kriegsmacht hinter den Verbündeten grollend ihm im Rücken steht. Ja, wir wissen, er wird Alles thun, dem bösen Schritt einen guten Schein zu geben. Laforest erwartet schon einen außerordentlichen Gesandten. Napoleon opfert auch Bernadotte, wenn es sein muß. Nur muß er wissen, daß wir bereit sind, auch die Hand zu reichen, um das Mißverständniß zu konstatiren. Siegen aber in diesem Augenblick bei uns die Feuerköpfe, so ist Alles verloren; und wenn im Schrecken der Nacht ein Ministerrath gehalten wird, wer weiß, ob ein Schlaftrunkener nicht die Fackel ins Pulverfaß wirft.«
    »Haben Sie mir noch mehr zu sagen, mein Vater?«
    »Dein Herzenswunsch ist es, und Dir verzeih ich's und den jungen Leuten und patriotischen Frauen, die keinen Blick in unsere Verhältnisse haben, und ob wir können, was wir wollen.«
    »Wenn der Eroberer schon mit Angst uns aufmarschirt in seinem Rücken erblickt!«
    »So wird er Kehrt machen, wenn er uns in die Zähne sieht, meinst Du!« – Der Geheimrath blickte sich um, wie wenn er einen Lauscher fürchtete. Mit gedämpfter Stimme sprach er: »Wir sind nicht gerüstet, da hast Du die Wahrheit, die man nicht aussprechen darf. Die Schulden der Rheincampagne sind noch nicht ganz gedeckt, die Mobilmachung nach der Weichsel hat ein neues Loch in den Schatz gefressen. Wir haben kein Geld, auf keine Subsidien zu rechnen, da wir mit England blank stehen, es sieht schlimm in unserer Kasse aus, daß Herr von Stein darauf dringt, Papiergeld zu machen. Wer wird das in Zahlung annehmen?«
    »Die Millionen, Vater, die unser Kriegswesen jährlich –«
    »Sind ausgegeben, um den Schein, den äußeren Anstrich von Friedrichs Heer zu erhalten. Polirt und frisch gestrichen ist Alles, aber das Holz morsch und faul. Die Schilderhäuser blinken und funkeln, in den Magazinen stockt es. Unsere Festungen sind verfallen, unsere Generale Greise, unser Fuhrwesen verödet, von unseren Truppen standen die Wenigsten im Feuer, unser Exercitium ist veraltet, und drüben steht ein Feind, flink wie der Wind, mit dem Genie, aus allem Stoff, den er findet, Soldaten zu machen, aus Pflastersteinen Kugeln, aus einem Lande, in dem wir verhungern würden, Vorräthe in

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