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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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über Etwas, das nur eine Wohlthat des Himmels ist, für den armen Dulder, für uns Alle, die wir seine Leiden sehend mit ihm litten! Preisen wir vielmehr die Hand, die dies gethan. Sein Wille geschehe, der es gut, schnell und kurz gemacht!« Gestärkt durch seinen Zuspruch, hatte sie nachher an der Leiche gestanden, ihre Züge beobachtend. »So ist es recht,« hatte er gesagt: »dem was wir als gut erkannt, fest ins Auge gesehen! Wem helfen Thränen, wem weichliches Gefühl des Mitleids! Indem wir das eine Nothwendige erkannt, stärken wir unsere Nerven, um der Nothwendigkeit auch weiter ins Auge zu blicken, und wir mögen endlich den Sinn des alten Kirchenliedes erfassen: Tod, wo sind nun deine Schrecken!« Sie war gestärkt worden. Sie hatte selbst am Beerdigungstage die Leiche mit frischen Blumen geschmückt. Die Dienerschaft, die Nachbarschaft waren davon gerührt, und das Lob der Geheimräthin war unter den gemeinen Leuten weit verbreitet.
    Im Hause der Geheimräthin war es sehr still hergegangen, sagten wir, heut aber in der Mittagsstunde eines frischen Oktobertages drängten sich die Besuche. Die Regimenter von Larisch und Winning, von der Weichsel zurückberufen, marschirten durch Berlin nach ihrem neuen Bestimmungsort, der fränkischen Grenze. Die Straßen waren belebt, die Fenster besetzt. Der Durchzug erfolgte unregelmäßig, bataillonsweise; die Truppen, in Eilmärschen aus Polen herangezogen, hatten in ihren letzten Nachtquartieren keine Zeit gehabt, sich zu einem Paradezug zu ajustiren. Während Monturen, Gesichter, Haltung von den Strapazen der angestrengten Märsche sprachen, wirbelten aber die Trommeln und die Trompeten schmetterten Lustigkeit in die klare Herbstluft; der Jubel der Zuschauer überbot sie noch. Aus den Fenstern schwenkte man Tücher, auf der Straße drückte man den Soldaten die Hand; man reichte ihnen zu trinken, und während die Schnapsflaschen und die Semmelkörbe umhergingen, schickten patriotische Hausfrauen große Bunzlauer Kaffeekannen und Tassen hinunter. In der Küche der Geheimräthin brodelte ein Waschkessel, Adelheid hatte für den Soldatenkaffee und für die Chokolade der Gäste zu sorgen.
    Diese standen in zerstreuten Gruppen an den Fenstern. Es gehörten nicht Alle zu einander.
    Walter van Asten las aus einer fremden Zeitung einigen um ihn Stehenden einen Artikel vor: ›Dem Vernehmen nach hat der Herr Staatsminister von Hardenberg dem französischen Gesandten, Herrn Laforest, die Antwort ertheilt: Sein König wisse nicht, worüber er sich mehr zu verwundern habe, über die Gewaltthat des französischen Heeres, oder über die unbegreiflichen Entschuldigungsgründe dafür. Wie habe man Preußens aufopfernde Redlichkeit vergolten, das Opfer gebracht, die seinen theuersten Pflichten nachtheilig werden könnten. So könne man denn doch keine andern Absichten des Kaisers Napoleon annehmen, als daß derselbe Ursachen gehabt, die zwischen ihm und der Krone Preußen bestehenden Verpflichtungen für werthlos zu halten, und achte darum Seine Majestät der König sich selbst aller früheren Obliegenheiten entbunden. Frieden wolle Preußen auch noch jetzt, halte sich aber nun verpflichtet, seinem Heere die Stellung zu geben, welche zur Vertheidigung des Staates unerlässlich sei.‹
    »Ja, es werden drei Heere gebildet, wie ich aus sicherer Quelle weiß,« bemerkte Jemand. Ein Anderer setzte hinzu: »Und es bleibt nicht bei der Rückberufung unserer Weichselarmee, sondern wir haben auch den Russen den Durchzug durch Schlesien geöffnet.« Der Kriegsrath Alltag flüsterte seinem Nachbar ins Ohr: »Die Donschen Kosacken sind schon in Breslau angemeldet.«
    Auch die Fürstin Gargazin hatte das Haus mit ihrem Besuch gewürdigt. Sie lächelte, zum Rath Fuchsius sich abwendend: »Mir will die Vorstellung einer Komödie noch nicht aus dem Sinn.« »In einer Stadt, wo das Theater eine so große Rolle spielt,« entgegnete der Rath, »ist dieser Gedanke sehr natürlich.« »Es wäre doch grausam,« fuhr die Fürstin fort, »wenn man mit den armen Menschen wieder nur Kämmerchen vermiethen spielte. Vom Rhein nach der Weichsel, und von der Weichsel nach dem Main!« »Das könnte das beste Heer demoralisiren,« äußerten Mehrere.

    »Aus welcher Zeitung ist der Artikel, Herr van Asten?« fragte die Lupinus. »Aus dem Hamburger unparteiischen Korrespondenten, der heut Morgen ankam.« »Warum müssen wir das nun aus einem fremden Blatt erfahren! Ueber etwas, das uns so nahe angeht, lesen wir

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