Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Hab' ich sie zur Chocolade invitirt? Hab' ich die Bretzeln gebacken? Wer weiß denn was der Kuchenbäcker rein gethan.«
»Charlotte, ich bitte Sie, sei Sie stille,« sprach die Geheimräthin, die Hand am Herzen. »Sie weiß nicht, was Sie redet. Sie ließ die Kinder außer Acht.«
»Wird mir das auch angerechnet!«
»Sie pflichtvergessenes, –« schrie Lupinus – »derweil Sie am Fenster das Maul aufsperrte.«
»Weil ich ein Gemüth habe, weil ich für meinen Gott und meinen König und unser herrliches Militär zum Fenster raus sah, weil ich als gute Patriotin mein Herz ausschüttete! Nein, das geht mir doch über Alles. Nu, kommen Sie mir wieder! Sag' ich doch – nu Kinder hin, nu Alles hin, nu adjö sag' ich Ihnen. Sie sollen mich nicht wieder sehen, Herr Geheimrath, nu mag's gehn, wie es will, und wo ich hin will, das weiß ich. In Ihr Haus zurück? – I Gott bewahre! Sie können meine Sachen raus schmeißen lassen, auf den Schinkenplatz. Was Sie wollen, wie Sie wollen, immer zu! O das genirt mich noch nicht so viel, wie Ihre ganze Wirthschaft nicht, mein Herr Geheimrath! Was ist für mich die Welt noch, wenn man so mit meinem Herzen umgeht! Aber nehmen Sie sich in Acht. Mein Cousin, der Herr Hoflackir, weiß was ich habe. Der zählt jedes Stück nach. – Vors hall'sche Thor will ich, aufs Grab der seligen Frau Geheimräthin, da will ich sprechen, da will ich mich ausweinen, da will ich klagen, da will ich mir ein Leids anthun – denn ich kann nicht leben ohne die Kinder!«
Roth vor Echauffement drängte sie durch die Anwesenden nach dem Fenster und riß das Tuch an sich, das die erschrockene Baronin mit ihrem Rücken zufällig fest hielt:
»Das ist mein Umschlagetuch!«
So ging sie hinaus, doch die Thür noch in der Hand, fing sie heftig an zu schluchzen, ihr Peroriren war aber diesmal an die Wirthin gerichtet:
»Und das muß ich Ihnen sagen, Frau Geheimräthin, und wenn Sie mich für eine schlechte Person halten. Die Kinder lassen Sie nicht zu ihm, nein um Gottes Willen, das thun Sie nicht. Bei ihm sind sie in Grund und Boden verloren, der Herr Geheimrath verstehen nichts von der Erziehung. Das Mädchen verdirbt und der Junge auch, sonst hätten sie auch nicht die Chocolade aufgetrunken, aber sie lernen's von ihrem Vater, Gott straf' mich, der kann auch nichts stehen lassen, er muß in Alles die Nase stecken und kosten. Und die selige Frau Geheimräthin werden vom Himmel runter sehen und's Ihnen lohnen. Und handeln Sie an diesen Kleinen, wie sie – o Gott! an meinem Cousin gehandelt haben.«
Unter noch heftigerem Schluchzen flog die Thür hinter ihr zu. Daß die kranken Kinder einstweilen bei der Geheimräthin blieben, war eine Sache, die sich von selbst verstand, denn der Arzt hatte schon erklärt, sie dürften auf keinen Fall fortgeschafft werden. Warum aber der Geheimrath nach einer Weile aufsprang, und den Hut ergriff, um der Köchin nachzueilen, blieb zweifelhafter. Er sagte, es geschehe, um nachzusehen, damit die desperate Person nicht sein Haus von oben zu unten kehre. Es gab indeß in der Gesellschaft Einige, die meinten, es wäre nur um sein Mittagessen. In seinem Affekt hatte er nicht bedacht, daß sein Schicksal noch in Charlottens Händen ruhte.
Der Aufbruch war jetzt so allgemein, als die Verstimmung. Walter empfing für seinen ehrerbietigen einen sehr kalten Gruß vom Kriegsrath Alltag; die Kriegsräthin musste in einer eigenen Laune sein, denn sie zupfte noch ihren Mann, warum er sich so lange aufhalte? Auch der Geheimräthin bewies sie lange nicht mehr die Ehrerbietung und gerührte Dankbarkeit, mit der sie sonst von dieser gütigen und unvergleichlichen Frau Abschied nahm. Kaum aber war sie die Treppe hinunter, als es die Brust nicht mehr hielt: »Mann, hast Du gehört, Ihre Majestät die Königin hat sich nach unserer Adelheid erkundigt!« – Der Mann sagte: »Hm!« und meinte, man müsse auch nicht alles glauben, was vornehme Leute sagen. »Aber,« erwiderte sie, »eine Fürstin kann doch nicht lügen!« Und als er meinte, es könne wohl etwas daran sein, es werde aber nicht alles so sein, sprach sie: »Daß aber die Königin auch nur von unsrer Tochter weiß, daß sie überhaupt auf der Welt ist, das hattest Du und ich uns doch nicht im Traume einfallen lassen!« Sie hatte immer geglaubt, die Könige wüssten von den einzelnen Menschen gar nichts, und die Individuen verschwömmen ihnen, wie man von einem hohen Berge eine Landschaft sieht.
Walter und Adelheid nahmen im
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