Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
oder für einen von Asbest, damit die Funken abgleiten. Der Eindruck wird stark sein, aber vorübergehen. Und reist Alexander fort, vor einem Entschluß – nein vor einer That, so werden unsre Freunde dafür sorgen, daß alles wieder aplanirt wird.«
»Alles!« sagte die Lupinus mit einem stechenden Blick, der im Zimmer umher irrte. »Mir sind diese Menschen zuwider, die ihre ganze Kraft nur darauf vergeuden, damit es nicht anders wird, als es ist.«
» Wir sollten sie loben. Träge Wellen sind oft das beste Fahrwasser.«
»Was müssen wir thun?«
»Nicht die Pfandbriefe verkaufen, baares Geld für den Nothfall im Sekretär, und in den Kriegsenthusiasmus einstimmen.«
Sie war aufgestanden, und hatte mit einem nervösen Aufgähnen den Stuhl fortgesetzt: »Warum müssen wir das! Warum können wir nicht auch darin frei sein! Warum dürfen wir nicht die Mode beherrschen? Wir verachten sie doch.«
»Weil es uns nichts einbrächte, als einen Heiligenschein, den unglücklicherweise wir selbst nur sehen. Weil es die Menschen von uns entfernt, und wir sie brauchen – als Instrumente. Darum spielen wir mit ihrer Thorheit.«
»Oder sie mit unsrer.«
»Man muß sich das Spiel nur nicht zu ernst denken.«
»Diesmal dünkte ich ihnen gut genug, ihr Operngucker zu sein,« sprach sie mit Bitterkeit. »Welche brillante Gesellschaft, bloß zu Chocolade und Zuckergebäck! Wenn noch mehr Regimenter vorüber marschiren, kommt mein Haus wohl wieder in die Mode. Selbst die Gargazin hatte die Gnade, aus meinem Fenster die Truppen zu sehen.«
»Die Kinder werden Sie auch recht geniren?«
»Warum? Unsre Wohnung ist groß.«
»Ich besorge nur, daß Ihr Schwager, wenn die Charlotte von ihm zieht, sich nicht beeilen wird, sie Ihnen wieder abzunehmen.«
»So bleiben sie. Ich liebe Kinder – sie bringen Frische ins Haus.«
Er sah sie zweifelhaft an: »Ich besorge nur, daß dies wieder zu Missdeutungen Anlaß giebt. Seit man zu wissen glaubt, daß Sie Mamsell Alltag nicht eigentlich als Ihre Tochter betrachten –«
»Als meine Erbin wollten Sie sagen.«
»Ich meine nur, daß man auf den Gedanken kommen könnte, Sie wollten die Kinder Ihres Schwagers adoptiren.«
»Wer sagt, daß er ein falscher ist! Die Leute wissen es nicht, Sie wissen es nicht, und ich weiß es auch noch nicht. Ich weiß nur, daß Mamsell Adelheid nicht meine Erbin wird.«
»Die Alltag scheint Ihre Liebe ganz verscherzt zu haben.«
»Soll ich mein Haus zu etwas Aehnlichem hergeben, wie das, aus welchem ich sie hernahm!« Wandel warf einen forschenden Blick: »Sie approbiren nicht die Inklination mit dem Herrn van Asten?«
»Ich! Was geht das mich an! Meinethalben könnte sie sich hängen an wen sie will, das larmoyante Wesen kann ich nur nicht ausstehen. Aus kleinen Verhältnissen – nein aus einer solchen Katastrophe, die doch die Seele eines jungen Mädchens erschüttern muß, trat sie in mein Haus. Was hatte ich gehofft, daß sich aus ihr entwickeln würde, bei ihren Gaben, ihrem Muthe, ihrer lebhaften Phantasie. Sie hätte die Königin der Stadt werden können.«
»Nur daß die Rolle der Herzenskönigin eines apanagirten Prinzen niemals eine glänzende werden kann.«
»Was kümmert mich der Prinz!« rief sie. »Sie selbst sollte sich ihr Loos werfen. Wie es war, und wenn ein
faux pas,
eine rasende Leidenschaft, eine Entführung – ja, wenn der tolle Mensch, der Bovillard, sie gewaltsam geraubt hätte, es wäre doch eine Abwechselung, es hätte zu sprechen gegeben – Sie lächeln, weil Sie die Affekte begraben haben, aber doch sage ich Ihnen, der Durst unsrer Seele nach dem, was uns über den Alltag erhebt, ist – das Bessere in uns.«
Der Legationsrath musste zerstreut sein, die Sache interessirte ihn nicht mehr. »Der alte van Asten rückt auch mit keinem Groschen 'raus, wenn sein Sohn Adelheid heirathet.«
In dem Blick, den die Lupinus ihm zuwarf, hätte ein Psycholog eine verächtliche Beimischung lesen können. »Sie liebt ihn gar nicht.«
»Sie sprechen in Räthseln.«
»Sie erwähnten einmal einer chemischen Agenz, die allen Stoffen ihre natürlichen Säfte aussaugt, daß sie Farbe und Geschmack verlieren.«
»Will der Pedant sie zu einer Gelehrten erziehen?«
»Es ist übel, wenn ein Lehrer eine zu gute Schülerin hat. Ich konnte nichts mehr wirken, wo ich von einem Vorgänger Geist und Gemüth schon ganz eingenommen fand. Mit ihrer lebhaften Auffassungsgabe betrachtet sie ihn als ihren Wohlthäter, um nicht zu sagen als ihren
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