Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Vorzimmer Abschied. Es musste auch hier etwas von Verstimmung sein. Sie meinte, er hätte sich doch überwinden können und zuvorkommender gegen ihre Eltern sein. Er sagte, es habe ihm etwas die Brust zugeschnürt. Sie entgegnete, auch auf ihrer Brust laste es wie ein Alp – »und ich überwinde es doch,« sagte sie, und zwang ihr Gesicht zu einem heiter lächelnden Ausdruck.
»Wenn ich Dich erst aus diesem Hause fort wüsste,« sagte er nach einer Pause.
»Wünsche es nicht,« entgegnete sie. – »Und wohin? So lieb ich meine Eltern habe, so fühle ich doch, dahin passe ich nicht mehr.«
»Du verlangst nicht nach Glanz und Reichthum –«
»Aber –« unterbrach sie ihn und schwieg plötzlich. »Daran bist Du auch schuld; warum hast Du aus mir eine Andre gemacht, als ich war –«
Er ging mit einem stumm wehmüthigen Händedruck.
An der Thür wandte er sich noch einmal um. Sie war ihm nachgeeilt und hielt den Kopf an seine Brust: »Gieb den Muth nicht auf, Walter. Ich lerne mich täglich mehr überwinden und es wird alles besser werden – – für uns Beide.«
Der Legationsrath hatte beim Hinausbegleiten die Hand der Baronin Eitelbach sanft ergriffen: »Meine Freundin, mir ist eingefallen, haben Sie sich auch nichts vorzuwerfen? Ich meine keine Schuld, aber vielleicht doch irgend einen geringschätzigen Blick, eine Bewegung – Sie wissen, Männer sind eitel, und Verliebte leicht gereizt. – Sinnen Sie darüber nach!« hatte er theilnehmend hinzugesetzt, als sie ihn erschreckt anblickte, und klopfte sanft auf ihre Hand.
Neununddreißigstes Kapitel.
Es war etwas nicht, wie es sein sollte.
Die Geheimräthin ruhte in einem Fauteuil, als Wandel ins Zimmer zurückkehrte. Sie sah sehr abgespannt aus; über das blasse Gesicht flog aber doch eine nervöse Röthe, und ihr dunkles Auge rollte seltsame Blicke umher. In dem weißen Kleide, das sich in weiten weichen Falten um sie breitete, und der Haube von derselben Farbe hatte ihre Erscheinung etwas Geisterartiges.
»Wie steht es nun also?« fragte sie. »Ach mein Gott, es ist so viel, was mir durch den Kopf geht.«
»Das Kapital, was Sie morgen ausgezahlt erhalten, würde ich meiner Freundin rathen, baar in Händen zu behalten.«
Die Geheimräthin sah ihn mit etwas mehr als Verwunderung an. Sie hatte von dieser Sache nie mit ihm gesprochen. Erst heute hatte sie das Notifikatorium erhalten, daß das Geld für sie fällig im Depositorium des Kammergerichts liege.
»Beruhigen Sie sich, ich bin kein Geisterseher. Dies erfuhr ich auf ganz natürlichem Wege, als ich heut früh auf der Registratur des Pupillenkollegiums einige Akten durchsah. Nicht aber die Ihrigen,« setzte er rasch hinzu. »Hinter meinem Rücken sprach der Decernent mit dem Registrator von den fünftausend Thalern. Auf dem Herwege wollte ich mich auf der Börse erkundigen, in welchen Papieren Sie das Geld in dieser Woche am besten anlegen könnten, als ich die beunruhigende Nachricht erhielt. Hätte ich nicht Gesellschaft gefunden, wäre es natürlich das erste gewesen, was ich Ihnen mittheilte.«
»So wäre es auch wohl am besten, wenn ich jetzt meine Pfandbriefe verkaufte?«
Er schien sich zu besinnen: »Nein. Sie werden wieder steigen. Ich bin überzeugt, daß es nur eine Demonstration ist. Die bewaffnete Neutralität ist zur Beschwichtigung der aufgeregten Stimmung. Man muß der Kriegspartei ein Spielzeug hinwerfen. – Schaudern Sie nicht; es ist die höchste Weisheit der Staatskunst, wenn die Gemüther in Wallung sind, immer das richtige Spielzeug bei der Hand zu haben. Wenn die Leidenschaften, Stimmungen, Phantasien die Zügel zerreißen, wenn die Völker durch keine Gaukelei mehr zu beschwichtigen sind, ach meine Freundin, wehe uns Allen dann! Man wird die Sache hinziehen, vor dem Publikum rüsten, die Kriegshelden fluchen und schwören lassen heimlich aber verhandeln, laviren, proponiren, unmögliche und mögliche Friedensvorschläge machen –«
»Bis!«
»Ja – bis es sich entschieden hat. In Mähren muß es sich entscheiden; dann –«
»Nun und dann?«
»Nie zu weit hinaus denken!«
»Sie hätten neulich die Radziwill hören sollen.«
»Zu Palastverschwörungen ist bei uns kein Terrain.«
»Und was sagen Sie zu Alexanders Herkommen?«
»Der letzte Verzweiflungsaufschrei der Kriegspartei. Es wird viele erhebende, rührende Auftritte geben. Aber lässt sich eine scheue Natur ändern? Die Coterie wird für einen Panzer sorgen von Gummi elasticum, damit die Thränen,
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