Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Schöpfer; sich wenigstens als seine Schöpfung. Es ist keine unedle Natur, meine ich,« fuhr die Lupinus nach einer Pause fort, »die den Drang in sich fühlt, sich selbst einem verehrten Mann zum Opfer zu bringen. Aber das Mädchen ist krank. Das ist die Krankheit der Resignation. Ja wir, in unseren Jahren, – aber wenn junge Mädchen die Blüthe ihrer Empfindung auf dem Altar der Pflicht – was lachen Sie so hässlich?«
»Daß Sie ein armes junges Mädchen anklagen um die Krankheit, welche Theologen, Dichter, Philosophen, um die Wette unserm Geschlecht einimpften! Um das Siechthum unsrer Staaten, unsrer Bildung, daß wir aus uns hinaus uns denken, schwärmen, spekuliren, statt zu rechnen. Dies Infusorium des Universums will mit dem bischen Kraft, Talent, das die Natur in seine Wiege als Pathengeschenk legte, den Sternenlauf reguliren, statt für sich selbst zu sorgen, da wo sein höchstes Ziel nur sein kann, sich erträglich und behaglich über dem Strom zu erhalten, der es täglich zu verschlingen droht. Welcher Hochmuth in dieser Tugend, eine Welt um sich beglücken zu wollen, um dann sich selbst die Märtyrkrone aufzudrücken!«
»Das kann doch nicht ganz Ihre Ansicht sein?«
»Erst sich selbst. – Ich verstehe natürlich darunter, daß zwei, die sich verstehen, sich als eine Einheit betrachten. Wer sie errungen hat, die Höhe, die er erreichen kann, ja dann, meine Freundin, dann mag er ein Gott sein, der goldnen Regen um sich sprenkelt, der Trost der Unterdrückten, der Rächer der Gekränkten, dann mag er schwärmen, schwelgen. –« Er bedeckte das Gesicht mit beiden Händen. »O lassen Sie uns von meinen Planen ein ander Mal reden. Heute könnten sich meine Phantasieen verirren, – Gott weiß in welche – lassen Sie mich heute schweigen –«
Er hatte ihre Hand ergriffen, eigentlich ihren Arm, und, den Blick gen Himmel, die Hand an seine Lippen gedrückt. – So starrte er eine Weile, die Augen aufwärts, in einem Zustande völliger Absorbirung.
Er schien, als sie sanft den Arm zurückzog, sich nur mit Anstrengung wieder zu finden: »Also, was Sie sagten! – Sie liebt ihn nicht?«
»Sie liebt einen Andern.«
»
Tant mieux!
«
Die Geheimräthin sah ihn forschend an: »Auch wenn der Andre ein guter Bekannter von Ihnen ist – sie liebt Bovillard, ohne es sich zu gestehen.«
»In der That!« Der Legationsrath biß sich in die Lippe, aber lachte mit völliger Unbefangenheit auf: »Wir sind Gegner, nicht Rivalen.«
»Sie retteten sie vor ihm und zum Dank –«
»Würde sie mich an ihn verrathen! Ist das etwas Besonderes! Zum Unglück für das arme Kind – oder zum Glück für Herrn van Asten ist aber Herr von Bovillard jetzt die Kreuz und Quer auf hundert Meilen geschickt. Ja ich glaube, sie haben ihn so geschickt, daß sie wünschen, er möchte nie wiederkehren.«
»Und ich habe die Bescherung im Hause!«
»Arme Freundin! – Zurückschicken ins elterliche Haus wollen Sie sie nicht?«
»Es würde mir jetzt übel ausgelegt werden.«
»Sie haben recht. Es gäbe zu viel Gerede; sie ist einmal die Modepuppe. Ja, wenn man sie entführte! Sie selbst deuteten vorhin darauf.«
»Adelheid lässt sich nicht entführen.«
»Und eine Mariage –«
»Sie scheinen wieder zerstreut.«
»In der That, ich bin es. Verzeihung! Nein fort muß sie jedenfalls, Ihrer Ruhe wegen. Bedenken Sie, daß Sie jetzt auch die Kinder im Haus haben. Also sorgen Sie dafür, auf eine oder die andere Weise. Finden wird sie sich.«
»
A propos!
« rief er von der Thür zurückkehrend. »Etwas noch. Sie müssen die Mode mitmachen. Hüllen Sie sich in Patriotismus, von so tiefer Farbe, als Sie können. Immer exaltirt. Beim allgemeinen Fanatismus merkt man das nicht zuviel. Franzosenhaß, Durst nach Blut und Rache auf den Lippen. Man kann nicht zu stark auftragen, denn man weiß nicht wie bald man überboten wird. Und wer nicht voraus schwimmt, ist bald zurück gedrängt und aus Ufer geworfen.«
War schon vorhin ihre Erscheinung geisterhaft, was mehr jetzt, als sie allein in der Mitte des Zimmers stand, das Ohr etwas geneigt nach der Thür. Sie horchte – sollte er nicht wiederkehren? – Nein – keine Tritte mehr auf der Treppe, es hallte vom Flur – die schwere Hausthür öffnete sich. Ein Schlag dann, der sie durchschütterte. Aber sie blieb stehen, die Finger etwas krampfhaft zusammenziehend. – Warum blieb sie stehen? – Unter den halb niedergeschlagenen Wimpern schielten ihre Augen umher. Warum schlug sie die
Weitere Kostenlose Bücher